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Galerie Peter Herrmann
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2004



Mad Cow Bus Stop Gelede
Sokari Douglas Camp
Bridal Cape
Ndebele. ZA


Auf diesem etwas unscheinbaren Foto sehen Sie zwei wichtige Arbeiten. Eine meiner persönlichen Favoriten von Sokari Douglas Camp ist Mad Cow Bus Stop Gelede . Diese Arbeit greift einen traditionellen Maskentypus eines Männergeheimbundes der Yoruba auf. Die Künstlerin selbst kommt aus Ostnigeria. Es ist zu beachten, daß zwischen dem Osten, vielen bekannt als Biafra, und dem Westen bis heute schwelende Aversionen brodeln. Sokari arbeitete gleich mehrere Tabubrüche in die aus fünf Objekten bestehende Serie der Geledemaskken ein. Sie thematisiert Ost- versus Westnigeria, sie entlehnt als Frau ein Motiv eines Männergeheimbundes, sie greift auf die erzählerische Form des Maskentyps, interpretiert jedoch freizügig anders, bricht Traditionen und - last not least - bedient sich der Komponenten Metall und Feuer. Eine absolut maskuline Domäne. In Europa etwas weniger spektakulär, bezogen auf Afrika jedoch ein unerhörter Bruch mit uralten Regeln.

Keine mir bekannte Arbeit von Künstlern aus Afrika dürfte einen größeren representativen Stellenwert für das ausgehende Jahrtausend und expliziet die Neunziger haben als die Arbeiten von Frau Douglas Camp. Mehrer Jahre hatte ich diese Werke in Ausstellungen plaziert. Mehrere Male wurden Arbeiten aus der Gelede-Serie auch veröffentlicht. Dennoch konnte ich über einen Zeitraum von fast zehn Jahren keine einzige Arbeit der Künstlein verkaufen. Ich schimpfte schon wie ein Rohrspatz auf die ganze Horde von Kunstignoranten, - bis es plötzlich 2003 losging mit Verkäufen. Eine Arbeit dieser Serie ging schon in die Aalener Sammlung von Artur Elmer, eine zweite an die Weltbank. Mehrere Andere konnte ich seitdem ebenfalls verkaufen.

Wie schon einige Bilder weiter vorne beschrieben, liegt die Künstlerin sehr gut in der Wahrnehmung. Milleniumsausstellung auf den Champs Elysées, Art Cologne, Deutsche Welle in Bonn, 4th Plinth in London, Weltbank, Africa Screams in Bayreuth, dezeit in Wien, folgend in Frankfurt und Aalen, mehrere Museumsverkäufe und und und.

Etwas weniger erfreulich lief die Ausstellung Perlenarbeiten der Ndebele, Zulu und Tsonga von 1920 bis 1970 aus der das oben abgebildete Bridal Cape stammt. Keine Ausstellung bei der man irgendwelche reißerischen oder modischen Titel benützen kann. Es ist eine etwas ernste und wissenschaftlich orientierte Ausstellung bei der in Deutschland wenig und in Berlin gar keine Reaktionen zu erwarten waren. Presse bekam ich in italien und Frankreich und die einzigen zwei Verkäufe gingen nach USA.

In der Wahrnehmung der zeitgenössischen Kunst watscht man mich für meine jährliche anthropologische Schau gerne mal mit "Ethno" ab. Schlimmer als die Gegenwartsorientierten sind jedoch die deutschen Vertreter aus dem Segment altes Afrika. Diese Szene, ich bitte schon mal prophylaktisch einige Bekannte und Freunde aus diesem Bereich für meine Pauschalisierung um Verzeihung, ist in ihrer heiligen Einfalt so abstoßend, daß man eigentlich nur noch zynische Witzchen machen kann. In dieser Ecke vesammelt sich ein Typus, der Langeweile, Borniertheit, Spießigkeit, Intriganz und Verlogenheit in Kombination zum Höchsten zu treiben bestrebt ist. Eine unselige Allianz von Ethnologen, Studienräten und Antiquitätenhändlern, die "Sich selbst etwas in die Tasche lügen" als oberste Prämisse kultivieren. Der Gipfel dieser zentralgermanischen Szenerie ist Berlin. Noch niemals habe ich mehr Ignoranz und Unkenntnis der Materie erlebt wie hier. Das Niveau von Themenbehandlung ist derart niedrig gehängt, daß ich schon auf dem Bauch liegend nicht mehr durchkomme.

Das Völkerkundemuseum in Dahlem ist nicht leer, weil es zu weit außerhalb des Berliner Zentrums liegt, sondern weil lächerlich wenig getan wird, überhaupt Besucher dorthin zu bekommen. Der Versuch einer Messe scheiterte dermaßen kläglich, daß an eine Wiederholung nicht mehr zu denken war. Der Fluhafen Berlin ist ein Geheimtip für afrikanische Händler, weil sie hier alles schmuggeln können, was über Paris, Brüssel und London unmöglich wäre. Mit ihrem gefälschten Ramsch bleiben sie dann in Berlin. Alles was als Qualität betrachtet werden könnte, geht ungezeigt sofort auf dem Landweg weiter.

Die erste Zeit als ich nach Berlin kam, ging ich noch ins schräg der Galerie gegenüberliegende Hotel Bogota dessen Besitzer ein aufgeschlossener Kunstliebhaber ist und ein Herz für afrikanische Handlungsreisende hat. Es war so dermaßen köstlich zu erleben, wie die wenigen Protagonisten der Berliner Szene auf die afrikanischen Fälscher untereinander schimpften und dann mit hochgestelltem Mantelkragen im Schutz der Dunkelheit hineinschlichen um das "Einzig Echte" mit Kennerblick und dem Brustton der Überzeugung herauszufischen. Die Ergebnisse ihrer Beutezüge verkauften sie sich inclusive hanebüchene Geschichten meist untereinander (denn nach Berlin kommt ja niemand zum Einkaufen) und prozessierten dann so ungefähr jeden gegen jeden.

Was über die Jahre in Stuttgart funktionierte, daß durch das Programm der Galerie die Sammler dieser seltsam strikt getrennten Bereiche übergreifend sich auch für das "andere" Thema interessierten, konnte in Berlin nur marginal umgesetzt werden. Fast jeder Künstler aus Afrika greift traditionelle Motive oder Stilmittel auf, während die traditionellen Meister Afrikas das gesamte 20ste Jahrhundert in seiner Suche nach Abstraktion so maßgeblich beeinflußten wie keine andere Kultur.


So mache ich halt unbeirrbar und vielleicht auch unbelehrbar einfach weiter.

 

Galerie Peter Herrmann