Essay von Peter Herrmann. Mai 2006 |
Von Fälschung und Vision Sehr geehrte Interessenten alter Kunst oder auch Freunde der zeitgenössischen Kunst, die ein wenig zufällig auf dieser Seite landen. Frank Zappa sagte einmal „Jazz is not dead, it just smells funny“. Ähnlich lässt sich der Markt der Sammler, Händler und Ethnologen beschreiben, der alte Kunst Afrikas zum Inhalt hat. Er ist nicht tot, aber riecht einfach komisch. Es ist ein seltsames Häufchen meist erhabener Langweiler das sich in diesem kleinen Marktsegment tummelt und dabei weitgehend außerhalb des allgemeinen Interesses vor sich hin darbt. Das war in Deutschland nicht immer so. Bis in die 1960er und 70er gab es eine ganze Reihe bedeutender Sammler die sich sehr aktiv bewegten und von denen legendäre Geschichten kursierten, wer wem was vor der Nase wegschnappte. Es wird von engen Verbindungen erzählt, von Museumsverkäufen, Tauschhandel, Intrigen und Charakteren. Von Glücksfällen, - und von Fälschungen. Dieses magische Wort ist auch einer der Gründe dieses Essays. Fälschung. Welch ein schweres Wort und welch schwere Folgen wem dieses Etikett damals angeklebt wurde. Dies ist heute anders. Der Begriff wird in einem solchen Maße inflationär benutzt, dass es schon sehr unappetitlich ist und jenen oben erwähnten eigentümlichen Geruch verbreitet. Es ist denn auch dieser Odeur, der wie eine Stinkmorchel jeden jungen Sammler aus dem Revier vertreibt. Wo er hineinschaut, nur Lug und Trug, Beschiss und Gestänk. Kaum hat der Jungsammler ein wenig Vertrauen gefasst zu einem Händler, sind sich der Platzhirschsammler und der Museumsvölkerkundler eifersüchtig einig – dies von ihm, dem jungen Sammler Erstandene ist eine Fälschung. Was dann auch unerschrocken hinausposaunt wird. Natürlich immer hinter dem Rücken der jeweiligen Tratsch-Subjekte. Auch in den Museen stehen genügend Fälschungen, so dass Sammler und Händler eifrig und genüsslich dem interessierten Nachwuchs stecken, wie die musealen Schlauberger in Afrika aufs Kreuz gelegt wurden und auf wie viel Diebesgut und kolonialen Auftragsnachbauten die ethnologischen Gralshüter des wahren und ewig Gestrigen hocken. - Und erst die Sammler, da sind sich wieder Händler und Kulturbeamte einig, wollen buchstäblich angelogen werden. Wenn hier nicht stantepede 150 Jahre Mindestalter für ein Objekt hinein fabuliert würde, reimt sich nichts mehr mit deren Exotismuserwartung. Letztlich brauchen sie eh nur wichtigtuerisches Deko. Gut, wenn authentische Hühnerscheiße drauf ist oder im ebenso beliebten Gegensatz dazu das erstandene Objekt der Sammlerbegierde schön mit sogenannter Telefonpatina hochpoliert ist. |
Geschichten sind uns Bedarf, gern genossene Kurzweil und wichtiger Bestandteil einer jeden Leidenschaft. Schade nur, dass die beschrieben Szene von kleinkarierter Selbstbezogenheit durchtränkt ist, von Neid und Boshaftigkeit dominiert wird, und am besten mit dem Bild des sich selbst aufessenden Homunkulus zu beschreiben ist. Begleitet von einer meist erschreckenden Unkenntnis der Protagonisten, gepaart mit einer Selbstüberschätzung, deren komplexbehaftete Ursprünge für eine andere, heilende Branche interessant wäre. Fälschung ist ein juristischer Begriff. Wenn ich einer anderen Person vorwerfe, er hat eine Fälschung verkauft, werfe ich ihm eine kriminelle Tat vor. Genauso, als würde ich sagen: Die oder der habe gestohlen. Nun findet ein weiterer humoriger Prozess statt, den die deutschen Afrikadrittligisten mit Eifer praktizieren. Ich will es die konstantdynamische Gartenzaunverengung nennen. Echt ist in den Augen des Dreiergespanns unzweifelhaft jenes Objekt, das die Gnade des frühen Auftauchens auf europäischem Boden hat. Aber auch nur dann, wenn es fotografisch in einem Auktionskatalog oder einem Bildband dokumentiert ist. Dass dieses vereinfachte Raster nicht stimmt, wird vereinfachend ignoriert. Irgendeine Sicherheit braucht man ja im Leben. Dies führt dazu, dass Teppich- und Immobilienhändler mit Breitreifen-Rolex-Mentalität im Brustton der Überzeugung behaupten können, nur sie selbst seien die wahren Kenner und Experten echter alter Kunst aus Afrika. Was nicht über 50.000 Euro kostet und nicht in Frankreich schon vor den Fünfzigern unter den Hammer kam, ist falsch. Ist eine Fälschung. Wer anderes behauptet ist ein Dummkopf, sagt der Immobilienhändler. Eine Behauptung, die ungefähr so geistreich ist wie: nur van Gogh und Rubens waren gute Maler, die anderen sind Stümper. An dieser Stelle können wir nun die Brücke schlagen zum afrikanischen Pendant. |
Wer über einen rein merkantilen Anspruch hinaus denkt, hat es momentan schwer. Hypothesen als Grundlagen sind nicht mehr Bestandteil des Forschens für Wissenschaftler und nicht mehr Grundlage für Freude am Sammeln. Diskurs ist nicht mehr Lernen, und Betrachten kein sinnlicher Genuss. - Wenn man einmal davon absieht, dass mit Dreck werfen für manche kümmerliche Menschen die einzige Möglichkeit ist auf sich aufmerksam zu machen und sie deshalb daraus einen Erlebnisgewinn ableiten können. Bevor nun der Artikel abgleitet in fatalistischen Negativismus, ist die Frage angebracht wie man mit dem Faktor Kunst aus Afrika umgeht. Immerhin war noch in den 1990er Jahren laut der Zeitschrift Capital der Markt mit alter Kunst aus Afrika das stabilste Segment des ganzen Kunstmarktes und im gleichen Zeitraum begann man in unseren Breitengraden langsam mit der Wahrnehmung von aus Afrika stammenden zeitgenössischen Künstlern. Zunächst ist es wichtig von merkantilen Aspekten kleinkarierter Wohnzimmerhändler abzurücken und Kunst als ein wichtiges interkulturelles Kommunikationsmittel zu begreifen, dessen Reichtum über eine individuelle Bereicherung hinaus geht. Wir stehen mit vielen afrikanischen Ländern in Kontakt und müssen begreifen, dass wir uns auf einer Augenhöhe verständigen müssen. Wenn man von der simplen Annahme ausgeht, dass wir durch unsere europäisch-museale Tradition einen Vorteil haben und dass die meisten Bewohner Afrikas die Muster unseres westlichen Bildungssystems angenommen haben ohne dieselben gewachsenen Infrastrukturen derselben zu besitzen, bleibt die Frage: was ist dann gleiche Augenhöhe? Genauso einfach. Es sind die Inhalte und Hintergründe eines Kulturraums, die als Reichtum adäquat zu unseren strukturmateriellen Vorteilen gesehen werden müssen. Kooperation heißt das strapazierte Schlüsselwort. Kooperation nicht als Worthülse und Politikergeschwätz, sondern Kooperation als Tat. Alte Kunst aus Afrika muss in anderen Zusammenhängen bearbeitet werden. Die Ethnologie darf dabei nur ein Teilaspekt sein und muss seiner Dominanzen entledigt werden. Es sollten Ausstellungen an anderen Orten stattfinden, die kunsthistorische Hintergründe anders zu interpretieren in der Lage sind. Ausstellungen, die wieder Publikum und Medien erreichen. Ausstellungen, bei denen Afrikaner und Afrodeutsche auch im wissenschaftlich-organisatorischen Bereich stärker eingebunden werden. Moderne Ausstellungen mit inhaltlicher Ausrichtung weg von zusammenhangloser Darstellung aufgereihter Artefakte. Ausstellungen, die zwischen Didaktik und Ausdruck unterscheiden können. Zeitgemäße Ausstellungen auch mit alter Kunst. Es ist mittlerweile ein alter Hut, dass öffentliche Institutionen eine eklatant schlechte Zusammenarbeit mit freien Kunstschaffenden pflegen. Millionen über Millionen Euros so genannter Kulturzuschüsse dienen fast ausschliesslich dazu, Institutionen als Verwaltungsapparat aufrecht zu erhalten. In den Institutionen sitzen mit Mehrheit ängstlich aussitzende Schmalspurkarrieristen, die bei jeder Berührung mit der Außenwelt, in diesem Falle Sammler und Händler, fürchten, in einen Bestechungsskandal verwickelt zu werden. Aus Erfahrungslosigkeit im Umgang mit jenen, geschieht dann, wenn sie doch einmal "hinaus" müssen, gerade das, was sie immer befürchten. Oder, noch schlimmer, sie benützen das Argument der Beeinflussung der Wissenschaft um alle aus den Museen fernzuhalten, die in der Lage sind zu sehen, dass sie sich schon lange selbst die Taschen vollschaufeln oder Jahr für Jahr nichts anderes tun als da zu sein. In den Museumsarchiven liegt unglaublich viel Material brach mit dem man arbeiten könnte. Machen Sie sich einmal die Mühe, die Menge an Ausstellungen über afrikanische Themen in den letzten zehn Jahren in Deutschland zu zählen und setzten Sie dieses Summe in ein Verhältnis zu der Menge völkerkundlicher Museen. Dieses Ergebnis setzen Sie nun in ein neues Verhältnis zu den Ausgaben die diese Museen kosten. Düstere Ergebnisse, die niemand bemerken möchte, denn im Gegensatz zu Opernhäuser werden die Besucherzahlen der meisten Völkerkundemuseen nicht durch Erwachsene sondern durch Schulklassen erzielt und liegen damit außerhalb einer medialen Wahrnehmung. Niemand nimmt diesen Zuschussapparat in seiner eigentlichen Dimension wahr. Aus Angst, in Zentnern von altem Staub zu ersticken. - oder, hier sind wir wieder am Anfang, in dem Sumpf von Beschimpfungen und Inkompetenzen jede Lust am Wirken schnell wieder zu verlieren. Wir befinden uns in einer neuen Aufbruchsituation was den Kontinent Afrika anbelangt. Schon wieder kann man aber dabei postkoloniale Tendenzen sehen und neu geschaffene Abhängigkeiten, die es unbedingt zu vermeiden gilt. Gleiche Augenhöhe ist Wunsch und Forderung. Das Wort Kunstgeschichte enthält Geschichte. In diesem Essay die Geschichte von Afrika. Kunst als Träger der Geschichte von Afrika. Kunst als wichtigster Bestandteil und Ausdrucksmittel von Kultur. Betrachtung von Kultur und Kunst in kunstgeschichtlichen Zusammenhängen. Um gleiche Augenhöhe zu gewährleisten, müssen die Archive aufgehen und Objekte ins Licht kommen. In neuem Kontext erscheinen. Unser Bestandsvorteil der musealen Archivierung muss ins Spiel geworfen werden, um sich auf einer Höhe mit den von Afrika gebotenen Inhalten treffen zu können. Diese Inhalte sind der Trumpf Afrikas. Je länger die Objekte in totem Archivierungskontext vor sich hin sterben, desto kleiner wird der Trumpf. Ein Plädoyer für neue Ansätze, deren Realisierung übrigens nicht allzu zu schwer ist. Es muss niemand vom Sockel gestoßen werden um Veränderungen einzuleiten. Die Szene der Sammler alter Kunst aus Afrika hat sich selbst schon soweit demontiert, dass es keine Säulenheilige mehr gibt. Die ganze Szene ist die eigentliche Fälschung. Peter Herrmann im Mai 2006 |
Zum gedruckten Artikel in der Afrika Post vom Juli 2006 |