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von Peter Herrmann
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Kritische Betrachtung einer deutschen Delegationsreise nach Togo zum "3. Printemps de la Coopération". 2. - 5. April 2017, Lomé
   

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Frühling in Togo
 

Gibt es nicht.

Zur Zeit des deutschen Frühlings steht die Sonne senkrecht über der ehemaligen Musterkolonie. Im März im Süden, im April im Norden. Togo hat 12 Monate üppiges Wachstum und ist zwar arm an Bruttosozialprodukt, aber reich an wunderbarem Essen, das meist ohne Steueranteile gehandelt wird. Wenn keine Staatsbediensteten bei jedem Verkauf mitessen, ist es entsprechend günstig. Es gibt keine Flüchtlinge mehr, auch wenn manche junge Menschen nach Europa reisen und so richtig wirkliche Armut will sich hier nicht finden lassen. Dass mal jemandem ein Geld ausgeht, ist kein nationales Phänomen sondern auch in Deutschland vielen bekannt und wird durch ein traditionell verankertes Sozialsystem vermutlich besser geregelt als von einem deutschen Sozialamt. Urbanisierung mit leerer Tasche wird jedoch zu einem modernen Phänomen, das genanntes Sozialamt zunehmend erstrebenswerter werden lässt, um zu schauen, ob die Verheisungen von Bildung vielleicht doch stimmen. Beim ausfüllen von Formularen in Europa.

Weil es keinen Frühling gibt, gibt es auch keinen Winter und keine Heizkosten. Was in Deutschland nach langem Darben für Aufbruch und Fruchtbarkeit steht und deshalb Ostern mit rammelndem Hasen und Eiern als Fortpflanzungssymbol schon lange vor den Christen erfunden wurde, ist dem Togoer und seiner Togoerin ein Nichts. Fortpflanzung und Fruchtbarkeit und Aufbruch und Freude an der Sonne ist für Togoer ganzjährig im Rhythmus von Trocken und Nass. Außerdem bevorzugt er eher Schatten.

Dies ist auch der entscheidende Punkt, an dem Herr Friedrich Hegel nicht recht hatte. Der Neger ist nicht deshalb nicht innovativ, weil er mit den extremen Klimabedingungen zu kämpfen hätte, sondern der Togoer und die Togoerin oder eigentlich alle Westafrikaner sowieso sind im Vergleich mit Nordmenschen nicht gleichermaßen innovativ, weil sie Vieles einfach nicht so dringend benötigen wie eben jene Germanen und Kelten Hegels, die Keller und Scheunen, dicke Mauern und Heizungsanlagen, Konservendosen, Sauerkraut und Soleier, Strom und Verbrennungsmotoren, Wurst und Brot und Käse und was weiß ich noch alles benötigen um vier bis sechs äußerst wachstumsdepressive Monate hinter sich zu bringen.

So ist es denn auch mit erhabener Schlichtheit im Geiste verbunden, eine Wirtschaftskonferenz „Deutsch-togoischer Wirtschaftsfrühling“ zu nennen. Das Aufbruchselement dürfte sinngemäß einem Deutschen ein frisches Vorwärts signalisieren, doch ein Togoer fragt sich eher, was eine europäische Jahreszeit in der Ökonomie verloren hat?

Während in Deutschland etwa 30.000 Togoer innovativ tätig sind und vor allen Dingen für dreimal gar nichts alles Gebrauchte abräumen, dümpeln in Togo so etwa 300 Deutsche vor sich hin. Unternehmerisch ist davon fast niemand mehr tätig. Den letzten wird mit der jüngst eingeführten Mehrwertsteuer der Hahn zugedreht. Jene Steuer, Geisel der europäischen Unternehmer, bei der jeder Hersteller und Verkäufer gezwungen wird, Steuereintreiber des Staates zu werden, der sich daran mästet und alle Schaffenden und Handelnden mit einem Netz von Strafen, Kontrollen und furchtbarer Buchhaltung überzieht, weitet sich strangulierend auf Afrika aus. In einer Ökonomie, die zu 80 % aus Subsistenz besteht, wird diese Steuer aber fast nur bei Fremden angewandt, und kann und wird sich absehbar lokal nicht durchsetzen. Durch diesen von Frankreich und Deutschland erzwungenen Steuerfirlefanz inklusive Vorbesteuerung werden mutige Deutsche bereits schon darum abgehalten sich hier niederzulassen. Denn wenn Sie für den togoischen Staat die Steuer direkt eintreiben, statt wie bisher üblich die Firma pauschal zu besteuern, wird der Kunde dort kaufen, wo er diese Steuer nicht bezahlen muss.

Bei Togoern, die sich die Mehrwertsteuer bei der Ausfuhr aus Europa erstatten lassen und in Togo keine abführen.

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Hüpfen wir ein wenig weiter zu Dingen, über die beim Frühling laut Programm nicht geredet wird.

Wozu bitte soll ein Togoer in eine Fabrik arbeiten gehen um industrielle Produkte zu fertigen, wenn die unglaublich effektiv in Deutschland hergestellt werden? Wo es die Leute scheinbar mögen, sich tagtäglich in Verwaltungsgebäuden und Fertigungshallen aufzuhalten? Da wollen wir doch lieber einen Palmwein einpfeifen und unterm Wellblech warten, bis der Regen vorbei ist.

Wenn man sich unterm Wellblech nun geistreich über Innovation unterhält, wird natürlich schnell klar, dass auch gearbeitet werden muss. Deshalb findet man es tendenziell auch gut, dass da Deutsche vorbeischauen, die mit allen Mitteln wollen, dass Arbeit entsteht. Sie werden allerdings empfangen von Menschen, die so viel Geld haben, dass sie nicht arbeiten müssen, die sich aber erhoffen, dass welche kommen und dies tun und vor allen Dingen Geld mitbringen. Geld ist ja nicht etwas, das in Togo hergestellt wird, sondern Geld ist immer etwas, das aus Europa kommt, wo es auch gedruckt wird.

Mann weiß als aufgeschlossener, weltgewandter Westafrikaner, der eine Delegation von Paternalisten empfängt, natürlich, dass bei solchen Konferenzen auch Frauenbeauftragte dabei sein müssen. Das ist nicht so einfach, weil die meisten Frauen in Togo nichts mit Wirtschaftsfrühling, sondern mit großen Mengen an Stoffen, Lebensmittel, Kohle und Kinder zu tun haben, dass ihnen das Geschwätz von Deutschen, von denen die wenigsten Französisch sprechen und Ewe, Kabiyé oder Haussa prinzipiell sowieso nie, am üppig gepflegten Hintern vorbeigeht. Also genügt es, wenn deutsche Quotenfrauen auftauchen und sich mit einer Ministerin darüber unterhalten, wie man die unterdrückte Frau befreit. Eigentlich die sogar doppelt unterdrückte Frau. Denn der Schwarze an sich ist ja schon ausgebeutet und unterdrückt, und wenn nun seine Schwärzin als Frau noch einmal gesondert unter dem Patriarchat leidet, lebt sie nach Gendersprech unter zweifacher Repression. Bevor man sich also darüber unterhält, wie man einen deutschen Klempner von Mehrwertsteuer befreit ansiedelt, muss zuerst ganz generell der Afrikaner und doppelt die Afrikanerin befreit werden. Matriarchat entlang dem Golf von Guinea hin oder her. Überhaupt. Weil dies ja alles noch mit nie überarbeiteter Kolonialzeit zusammenhängt, muss zuerst alles verdammt werden, was damals stattgefunden hat.

Spätestens nun versteht der Togoer etwas nicht mehr. War da doch Gustav Nachtigal und später Franz-Josef Strauß. Ehrenwerte Männer. Gedruckt auf Stoffen, benannt in Straßen und allgegenwärtig im kollektiven Gedächtnis. Dies alles in den Mülleimer der Geschichte? Zum Ausgleich dafür ein paar evangelikale Hinterbänkler des deutschen Parlaments, die furchtbar schwitzen in der Hitze die sie im ökonomischen Frühling erstmals kennenlernen?

Gustav Nachtigal hatte für Togoer und Deutsche gleichermaßen sehr faire Verträge ausgehandelt, denen, dies ist nun kein Witz, die Togoer fast ausnahmslos nachtrauern und die sie sogar gerne wieder erneuern würden. Franz-Josef Strauß ging mit Big-Boss Gnassingbé Eyadéma sehr leger jagen, danach einen heben und danach sich lustig mit jungen Damen beglücken. Wenn Marianne gerade nicht dabei war. Nebenbei sagte Franz-Josef zu Gnassingbé: Du schaust mir aber bitte, dass meine Freunde aus Bayern hier nicht zum Freiwild für französische Bürokraten werden. Worauf Herr Eyadéma aufe deutsche antwortete: Alles klar, sowieso und genau, mon cher Franz-Josef. Noch ein Eku?

Nun kommen Frauenbeauftragte, Hinterbänkler, Sicherheitsberater, Waisenhelfer, versteckte Waffendealer und Firmen, von denen sich keine niederlassen wird. Aus Sicht, dies interpretiere ich nun sehr frei, des Herrn Präsidenten Faure Gnassingbé eine diplomatische Unverschämtheit. Hin und wieder sollte man sich wirtschaftlich-politische Zusammenhänge nicht allzu kompliziert vorstellen. Kompliziert scheint es erst da zu werden, wo man sich die Schlichtheit der Gemüter vorstellen soll, die hier paternalistisch auf Togo losgelassen werden oder dort, wo weitere Interessen zu vermuten sind, die aber sorgsam hinter der Delegation und ihrer christlichen Heilsbotschaft versteckt werden.

Es stellt sich nämlich durchaus die Frage, was ein paralleles Außenministertreffen der Länder Mali, Burkina-Faso, Niger und Togo bei diesem Frühlingsfest verloren hat. Alles Länder also, in denen sich Deutschland gerade militärisch engagiert. In Mali als Schutzmacht, in Burkina Faso zur Sicherheitsausbildung und im Niger noch schamhaft versteckt hinter Zahlungen, offiziell um damit Flüchtlinge zu stoppen, die keine sind, weil sie offiziell, mit offiziellen Papieren, in offiziellen dafür vorgesehenen Verkehrsmitteln durch den Niger reisen. Zahlungen, um in Agadez irgendwelchen Schleusern, die keine sind, das Handwerk zu legen, um, so die offiziell in deutschen Medien verbreitete Version, mit diesem Geld Arbeitsplätze für konvertierte Schleuser zu schaffen.

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Ein Monatslohn einer Hilfskraft in Niger oder Togo beträgt 50 Euro. Teile ich nun 600 Millionen durch diesen Betrag erhalte ich 12 Millionen Monatslöhne. Teile ich diesen Betrag nun durch 12 Monate und dann10 Jahre, finanziert der deutsche Steuerzahler 10 Jahre lang 100.000 Arbeitsplätze.

Das ist zunächst natürlich ein ungewöhnlicher Einfall, solch eine Segnung bescheiden als „Sicherheit“ zu deklarieren. Doch leider steckt hinter dem großen deutschen Exportschlager „Sicherheit“ eben genau alles andere als das. Wenn man als Besatzungsmacht in Mali „Sicherheit“ als Grund anführt, wirkt das sehr fragwürdig. Mit Sicherheit sind die Soldaten dort jedoch zu warm angezogen und auch den Hubschraubern ist zu heiß. Doch was muss man nicht alles als imperiale Beteiligung machen, wenn Rüstungsexport mittlerweile zum größten Sicherheitsfaktor wurde und man sowohl Material testen als auch sich vor Nato-Partnern rechtfertigen muss. Es können ja nicht nur Amis, Russen, Franzosen und Engländer dafür sorgen, dass das verkaufte Tötungsmaterial auch verbraucht wird um einen Folgemarkt zu gewährleisten. Das hätten sie gern, die Deutschen, heimlich Number One werden, fette Kohle einstreichen, aber sich nicht die Hände schmutzig machen.

Die deutsche Wirtschaftsdelegation wurde also mit Blaulicht völlig über Gebühr im Kreuz und in der Quere durch Lomé gekarrt, und TV, Radio und Printmedien waren begeistert in der Hoffnung auf eine neue Kooperation mit Deutschland. Denn man ist der Franzosen sehr überdrüssig. Die Stimmung ein wenig anheizen war denn auch alles was unter Federführung des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft erreicht wurde. Irgendetwas hatte die deutsche Botschaft noch damit zu tun, und im Jahr 2016 war die Deutsche Afrika-Stiftung als zeichnende Organisation ähnlich erfolglos.

Der alte Gouverneurspalast konnte im still stehenden Renovierungsstadium nicht besichtigt werden, da er nicht aufgeräumt war. Alternativ wollte man den Hafen besichtigen. Das ging aber sonntagvormittags dann doch nicht, da der Herr Direktor in der Kirche war. In der tropischen Hitze des Mittags um 13 Uhr 30 konnte dann doch noch ein Termin dafür gefunden werden. Am nächsten Tag ging es mit Blaulicht in ein Zementwerk mit dem deutschen Namen Heidelberg, an dem aber nur noch der Name deutsch ist. Denn es gibt keine deutschen Firmen mehr in Togo. Kurioserweise fand sich die Delegation mit vielen Entschuldigungen in einem nahe gelegenen anderen Zementwerk wieder.

Die schönste diplomatische Watschen gab es nach dem Empfang im Palast beim Herrn Präsidenten, der ganze 15 Minuten hereinschaute, ob auch alle schön kauen. Beim Verlassen des Gebäudes gelangte die Hälfte der Delegation in den bereitstehenden Bus. Als die andere Hälfte sich anschicken wollte die Straße zu überqueren gab es Alarm. 30 Minuten schwitzten die Einen im Bus und konnten nicht weg, während die Anderen der ungeheuer wichtigen Delegation nicht über die Straße gelassen wurde. Nach 30 Minuten stellte sich heraus, dass dies alles nur inszeniert wurde, weil der Herr Präsident seine Residenz verlassen wollte, dies dann aber doch am anderen Ausgang machte.

So also ging eine deutsche Delegationsreise zu Ende, bei der, politically correct, auch dunkelhäutige Berater aus Deutschland mitfliegen durften um zu zeigen, dass die Deutschen die Gutesten von allen sind. Frauen wurden berücksichtigt und Waisen und es scheint aus dem Nebel das Gesicht der Bundeswehr, die am togoischen Hindukusch Deutschland verteidigen muss. Das große Hotel am Orte machte Umsätze und da es dem Präsidenten gehört, hat der auch noch etwas verdient. Oder zumindest einigermaßen sein spendiertes Buffet wieder hereingeholt. Das Hotel ganz ohne einen Mengenrabatt für Sammelbuchung. Brussels Airlines gehört der Lufthansa, so bleiben die Reisekosten im deutschen Land und der Steueranteil davon kann mit Niger verrechnet werden, das dann ein wenig bei Heckler und Koch shoppen gehen kann.

Es wird weiterhin keine deutsche Firma in Togo ansässig werden und es werden weiterhin Kleiderspenden eintreffen, die nicht so gut sortiert sind wie der sehr günstige togoische Gebrauchthandel. Und von 300 Deutschen werden weiterhin 270 für Togo fast umsonst Gutes tun und auch die Botschaft tut Gutes. Sie wird weiterhin hauptsächlich für die Vergabe von Visa zuständig sein. Nur Ausbildung von Firmen wird es nicht geben. Das aber hätten die Togoer sehr viel lieber als Kleiderspenden für Waisen und tröstende Worte eines Pfaffen. Auch Pfaffe und tröstende Worte sind als Businnes so allgegenwärtig, dass man in Togo nicht noch mehr von denen braucht.

All dies Gute sind deutsche Spenden- und Steurgelder

Ach ja. Bevor es vergessen wird. So wie die Delegationen dies regelmäßig tun. Kulturarbeit. Ach ja. Kultur. Oh je. Kunst. Also nee. Sie müssen mal die Spießer sehen, die da als Afrikaexperten aufkreuzen. Kultur ist in deren Verständnis in einem Beutel.

Einer der Delegierten bringt regelmäßig Chöre von der nördlichen Wasserkante mit blau-weiß gestreiften Hemden in den Bundestag. Nicht meine Vorstellung von Kulturarbeit, aber immerhin, das wär doch mal ein Anfang von was Anderem. Seit Jahrzehnten gibt es bei Botschaftsempfängen bayrisch vom Schwein und viele Togoer glauben, das sei Deutschland. So ein bisschen Folklore hat auch was, um Facetten zu zeigen.

Ich erinnere mich: In den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts, als ich und halb Lomé noch kiffte, saß ich solchermaßen beeinflusst an einem Strandcafé und meditierte über Strandrauschen. Durch die Brandung hindurch, ich glaubte nun in einem ganz anderen Film gelandet zu sein, begann plötzlich bayerische Volksmusik hindurch zu wabern. Ich versuchte gerade Contenance gegen zu viel Rausch und Rauschen zu gewinnen, als auf der Straße zwischen mir und Strand und Palmen ein Tieflader vorbeifuhr, auf dem sonst Schaufellader verstaut wurden. Diesmal jedoch saßen, in Lederhosen und Kniestrümpfen, rund dreißig Bajuwaren, die unfassbar fröhlich live einen abschrubbten. Wirklich, das mit dem anderen Film war wirklich. Bis ich begriff, dass diese gut gelaunte Bierzelt-Horde eine Realität war, waren sie auch schon am anderen Bildrand, wieder leiser werdend, im Schritttempo rausgefahren. Das war gut, richtig gut. Als linker Nachwuchsradikalist veränderte dieser Sattelzug mein Weltbild, wie man heute sagt, nachhaltig. Später sollte ich noch einmal erleben, wie bei einer Veranstaltung mit ähnlich kulturellem Hintergrund die Togoerin mit ihrem bayerisch Angetrauten einen Traditionellen abtanzte, dass mir ganz rührig dabei wurde.

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Das war zunächst mal nicht Kultur nach meinem alten Gusto, doch liebe ich die Bayern wegen ihrer guten Laune. Und dann sollten sie mal die Togoer sehen, wie die darauf abfuhren, um sich danach im Sonntagsanzug mit der Familie den Jahresausflug zu Marox zu gönnen, um dort gemeinsam Leberkäs mit Spiegelei und Kartoffelsalat reinzutun.

Marox war eine deutsche Firma. Supermarkt, Metzgerei, Rinder- und Schweinefarm. Sauerkraut besser als im Elsass. Josef März, ein Strauß-Spezl. Belieferte das Restaurant Alt-München und allerlei Caterer. Vergangenheit. Vergangenheit ebenso wie die aus Fellbach stammende Gärtnerei Schmelzer bei Kpalime, die, ebenfalls in den Achtzigern, Reformhäuser in Deutschland mit dem belieferte, was man später als Bio bezeichnete. Beide Firmen bekannt als hervorragende Ausbildungsbetriebe. Vergangenheit auch die deutschen Antiquitäten- und Kunsthandwerkshändler von denen hin und wieder einer nostalgisch in Lomé vorbeischaut. Kein Automechaniker, keine Schreinerei mehr und kein Touristenbüro. Die Nachtclubs leer, die Mädels traurig. Kein Schwabe mehr, der den gefallenen Mädchen das Geld lieber direkt gab als es in Deutschland in die Büchse vom Roten Kreuz zu werfen.

Neben den Hilfsarmadas, von denen es gefühlt mehr als Waisen gibt, mal abgesehen, gibt es ein paar deutsche Übriggebliebene und ein paar Rentner. Das Personal der Botschaften muss gelockt werden, weil Lomé nahezu kein kulturelles Angebot hat. Die GIZ bildet SchneiderInnen aus, was mich oberflächlich betrachtet an ein deutsches Programm vom Arbeitsamt erinnert, das im übersättigten Berliner Galeriemarkt mit Programmen „junge“ Galerien über drei Jahre förderte, die, subventioniert und steuerbefreit für Andere eine Konkurrenz wurden um dann, nach vier Jahren, verschuldet wieder zu schließen. Als Einstiegsschwerpunkt für einen Wiederbeginn der Beziehungen suchte sich die deutsche Aussenpolitik noch Agrarunterstützung aus, was ebenfalls von GIZ und, schon wieder, von Kirchen gefördert wird. Als Überbleibsel der Strauß-Ära, gibt es noch die Hanns-Seidel-Stiftung, die ein interessantes Programm zu Polizeiausbildung für westafrikanische Länder führt und dann hat es sich so ziemlich mit Deutsch. Neben ein paar wenigen kleinen Initiativen aber eben keine berufliche Ausbildung über Firmen.

Es gibt natürlich ein anderes Erklärungsmodell, als dass man Togo nur vergessen hätte. Gnassingbé Eyadéma war ein äußerst rücksichtsloser Potentat und bei aller bayrischen Verherrlichung sollte niemals vergessen werden, dass Strauß ein wackerer Rechtsaussen war mit einer schwer zu verstehenden Vorliebe für Diktatoren und Diktaturen. Dass Eyadémas Sohn das Zepter übernahm, machte es den Deutschen nicht einfacher, Kontakte aufrecht zu erhalten. Ohne ein großer Freund der Goethe-Institute zu sein, bin ich noch weniger Freund von abgefackelten Goethe-Instituten, nur weil sie Opposition unterstützt „hätten“. Und doch ist es an der Zeit, Geschichtsballast über den Haufen zu werfen und mit Togo zu kooperieren. Und, natürlich liegt dem Frühlingsgedanken ein positives Moment zugrunde an dem man anknüpfen sollte. Doch wie?

30.000 Togoer leben in Deutschland und die Zahl 100.000 geistert über die, die in Togo Deutsch reden würden und ausharren, dass da etwas mehr geschieht als - von Prayers Breakfast beeinflusst - in presbyterianischen Sekten Halleluja schreien zu lassen. Amerikanischer Glaubensimperialismus versteckt hinter der Fassade von Ökonomie. Solange in Europa noch Monarchien bestehen, Frau Merkel in die vierte Periode geht und ein Raubtierkapitalismus täglich Existenzen vernichtet, sollten wir nicht überheblich patrimoniale oder neopatrimoniale Vergangenheiten verurteilen - und den Unterschied zu "beurteilen" feinsinnig betonen. Solange Deutschland noch eine Besatzungsmacht hat und Mitteleuropa vor Waffen starrt, sind wir nicht humanistischer als das gegenwärtige Afrika und Togo. Zur Steigerung der Lebensqualität der hurtig wachsenden Bevölkerung und nicht der politischen Führung benötigt Afrika und Togo das Handwerk, Architektur und die Kunst. Aber nicht Religion mit "mehret euch fruchtbar" und Militär.

So. Und wenn Sie nun diese Einsicht in aller Einfachheit und auf das Wesentliche beschränkt mit mir teilen, dann plädieren Sie fürderhin, Delegationen wie die letzte in Deutschland zu lassen und delegieren Sie statt dessen Handwerker, Techniker, Architekten und Künstler. Etwa so wie vor 130 Jahren. War gar kein so schlechter Einfall damals. Nur Militär lassen wir diesmal weg, ging nicht gut, damals. Kirchen braucht man auch nicht mehr mitbringen, sind über Gebühr schon da. Dann sagen sie der Botschaft, dass sie für Deckung der Anwesenden zu sorgen hat und den Hilfsorganisationen, dass sie gut über andere reden, die nicht aufgebrochen sind, den armen schwarzen Kinderlein zu helfen, sondern um mit Erwachsenen zu kooperieren, Geschäfte machen, auch mal einen heben und in den Nachtclub gehen. Wenn dann noch Feste, Ausstellungen, Filmabende, Lesungen, Konzerte, Tanzveranstaltungen und Ausbildungskurse stattfinden, Kunst, die alles zusammen weniger kostet als eine Tankfüllung für einen Flugzeugträger, wollen plötzlich viel weniger junge Menschen nach Europa, weil Europa zu ihnen kommt. Mitsamt den netten Mädels, die von dort vor Naftis fliehen, weil sie einen Strandrasta vorziehen.

Und wenn das begonnen hat, dann unterhalten wir uns über eine andere Visavergabepraxis. Die muss ebenfalls mehr auf Ausbildung und berufliche Praxis ausgerichtet werden.

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  Lord Macaulay's Address to th British Parliament
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Peter Herrmann, der Verfasser dieser Zeilen, war Troubleshooter auf der ersten deutschen subsaharischen Messe 1987 in Yaoundé, Cameroun. Er ist neben Galerist selbsternannter Innenarchitekt, ausgebildeter Handwerker und geborener Künstler.
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Leseempfehlung
 

NZZ - Und Afrika gibt es doch

Kolumne Afrika, Togo und das Internet. Warum schon darum eine Firma kaum Fuß fassen kann.


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