Kolumnen
Galerie Peter Herrmann
  Kolumne Januar und Februar 2002

Nomen est Omen

und

Omnis festinatio ex parte diaboli est

Schlüter, ein großer Baumeister, war der Pate für die Strasse, in der ich planend und bildend vor einem Jahr in Berlin los legte. In dieser Zeit wurde ein Fundament gelegt und der Rohbau hochgezogen. Im neuen Jahr kommt nun das Innen dran, die Inhalte.

Dafür suche ich mir andere Inspirationen und gehe vom Erbauer zum Dichter. Zu Herr Uhland, dem Romantiker. In die Uhlandstrasse. Nahe der Kantstrasse, nicht weit von einer Kneipe, die den Namen Hegel im Schild führt, und aussehen tu ich eh schon so ähnlich wie Adalbert von Chamisso.


 

Leider ist der Chamisso-Platz in Kreuzberg, wo ich vielleicht später einmal hinziehe.

Wenn man die Situation ansieht, in der afrikanische Künstler in der allgemeinen Wahrnehmung momentan stehen, kann man noch eine andere Metapher bemühen. Ich ziehe nämlich wahrscheinlich in Räume neben der Galerie von Herrn Nothelfer.

Doch Dichter, Philosophie und Wortspiele beiseite. Das Ende der Schlüterstrasse am Olivaer Platz ist ein sogenanntes totes Eck. Also schlicht ein Standortproblem, bei dem der wunderbare Grundriss der Galerie nichts ändert. Das Angebot eines neuen Standorts kam im richtigen Moment vor Ablauf meines zunächst einjährigen Vertrages. Ein Umzug drei Strassen weiter diagonal über den Ku'damm ist ein notwendiger Schritt nach einjähriger Berlinerfahrung. Die Ausstellungsfläche wird etwas weniger als bisher, aber mit etwa 185 qm lässt sich immer noch trefflich arbeiten. Nachdem in Berlin Mitte eine Galeristeninflation die Preise nach oben trieb und die Szene rätselt, wohin der Hip-Move geht, bleibe ich konservativ dort, wo Berlins Umsätze gemacht werden.


 

Die neue Lage ist nahe dem Savigny Platz mit seiner beispiellosen Gastronomie. Gainsbourg, Florian, Zwiebelfisch, Diener Tattersall, Schell, A-Train, um die Ecke die Paris-Bar und das Quasimodo, um einige der bekannten Lokalitäten zu nennen. Kollegen aus dem Bereich des alten Afrika sind ebenfalls dort angesiedelt. Frau Edelmaier mit ihrer Galerie Dogon in der Bleibtreustrasse, Uli Fischer in der Pestalozzistrasse, Markus Gunti in der Fasanenstrasse und Peter Geller in der Knesebeckstrasse. Unterschiedliche Qualitäten für alle Kundenwünsche sind also vorhanden. Konkurrenz belebt das Geschäft.

Neben Georg Nothelfer oder Rafael Vostell in unmittelbarer Nähe befinden sich auf dieser Seite des Kurfürstendamms viele namhafte Charlottenburger Galerien. Mit der neuen Lage bin ich nicht mehr am Rand, sondern mitten drin. Die Haare könnten mir dann bei Udo Walz um drei Millimeter geschnitten werden. Der Starfriseur ist im Gebäude nebenan.


 

Highlights gleich zu Beginn meiner Tätigkeiten in den neuen Räumen werden die Ausstellungen mit Marie Pittroff und Ralf Schmerberg sein. Hintergründe dieser Setzungen sind einfach und kurz zu erklären.

Mit Nicole Guiraud und Jean-Luc Cornec als Gäste in der Ausstellung von Marie machen wir ein Featuring. Alle drei sind in der Frankfurter Gruppe inter.art, mit der ich schon mehrfach zusammen arbeitete. Drei französische Namen sollen neben dem Ruf afrikanische bzw. internationale Kunst auszustellen, eine frankophone Ausrichtung betonen.

Von der Ausstellung geht es am Abend der Eröffnung mit Pendelfahrzeugen zu einer großen Veranstaltung im 90 °, einem bekannten Berliner Club in Schöneberg. Dort trifft die Kunst und ihre Programmpunkte auf die Welt des Glitter und Glamours. Intellektuelle Anspruchshaltung geht langsam über in Party.

Gemeinsam mit Britt Kanja und Angesom-Phil Tesfai wird dieses Projekt organisiert. Ich kündige schon einmal rechtzeitig an, daß eventuell eine Voranmeldung nötig sein wird.

Was für ein Aufsehen entsteht, wenn Ralf Schmerbergs Film Poem demnächst erscheint, brauche ich den regelmässigen Besuchern dieser Seite nicht mehr zu erklären. Auch zu dieser Premiere plane ich eine Ausstellung in der Galerie und wieder eine großes paralleles Ereignis.


 

Beide Veranstaltungen sollen sich, über das eingeladene Publikum hinaus, auch bei der Berliner Presse nachhaltig ins Bewusstsein bringen. Hier kommt Kurt. Denn, die Tagespresse in Berlin ist im Bereich Bildende Kunst äusserst bescheiden zu nennen, um in der Wortwahl noch höflich zu bleiben.

Sie erlauben, daß ich mich subjektiv zum Maßstab der Beurteilung mache, aber von drei für die Kunst relevanten Blätter, berichtete gerade einmal der Tagesspiegel zur Eröffnungsausstellung im März letzten Jahres.

Schon kurz darauf während der Berlin Biennale berichtete diesselbe Zeitung, es gäbe nur zwei Berliner Galerien mit einer parallelen Einzelausstellung von dort beteiligten Künstlern. Mich als dritte mit Tayou hatte man einfach vergessen. Einer Journalistin der Morgenpost arrangierte ich auf Anfrage ein Exclusivinterview mit Pascale Marthine Tayou. Mit dem seltsamen Ergebnis, daß meine Galerie nicht einmal in diesem Artikel erwähnt wurde.

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Überhaupt scheint Afrika gerade "Mega-out" zu sein. Mit ihrem Exclusivrecht auf vergangenes Leid konnte ich im Berliner Tagesspiegel verfolgen, wie täglich etwas über die jüdische Minderheitsethnie steht. Als aufmerksamer Leser bin ich schon soweit sensibilisiert, daß ich vor dem Aufschlagen des Tagesspiegel mit hoher Treffsicherheit sagen kann, ob sie sich heute in der Politik, in der Wirtschaft oder im Kulturteil zu Wort melden. Weit mehr Ghanaer oder Senegalesen die in Berlin leben, haben keine Stimme. Auch ich habe es bisher nicht geschafft den Afrikanern, bezogen auf die lokale Presse, Gehör zu verschaffen.

 

Geradezu paradox mutet vor diesem Hintergrund das rechts abgebildete Interview der Zeitschrift "Elle" an, das im November letzten Jahres erschien. Es steht da zwar nicht was ich wirklich sagte, auf das kommt es in diesem Beispiel aber auch nicht an.

Ich habe es nur deshalb in die Kolumne aufgenommen, um Ihnen den beschriebene Umstand zu veranschaulichen.


 

Die letzte Ausstellung zu Afrika in Deutschland war Ende letzten Jahres die Schau "Neue Kunst aus Afrika" im Völkerkundemuseum Hamburg. Die Sammlung von Gunter Péus wurde dort gezeigt. Hätte man besser gehängt und die ausgestellten Exponate als das bezeichnet, was sie sind, wäre diese Ausstellung vielleicht gut geworden. Daß von zwei Dutzend Namen einige als Künstler zu bezeichnen sind, legitimiert jedoch nicht den verzweifelten Versuch, die beteiligten Schildermaler posthum von der naiv ausgesuchten Gebrauchsgrafik in die Kunst zu hieven. Diese ganze Siebziger-Jahre-Acryl-auf-Sperrholz-Schlacht dann "Neue Kunst" zu nennen, erfordert schon erhabene Unkenntnis.

Um Mißverständnissen vorzubeugen. Ich freue mich über einen gelungenen gemalten Werbegag und halte Ausstellungen wie im Haus der Kulturen der Welt über Fotografie für ansprechend und wichtig. Es sollten aber höflicherweise bestimmte Begrifflichkeiten nicht durch eine oberflächliche Zuordnung in platten Exotismus kippen.


 

Die Art wie afrikanische Studiofotografen, Schildermaler und Sargbauer aufgekocht werden, liefert erneut ein Zerrbild. Autodidakten wie Chérie Samba oder Moké entwickelten sich aus dem Medium der Gebrauchsgrafik heraus und wurden Künstlerpersönlichkeiten mit Weltruf. Dadurch abgeleitet wird aber nicht automatisch jeder Graphiker zum Künstler. Wer im Baumarkt einen Hobel kauft, wird dadurch nicht zum Tischler.

Und was kommt als nächstes auf uns zu? Werden dann Dorfheiler als Performancekünstler auf Tournee geschickt? Marktfrauen als Installations-Queens? Oder in Pigozzi-Manie singende Hauswandanstreicher als die sensationelle Endeckung des Post-Konkreten in der Negritude?

Weil ich gerade so schön am lästern bin - noch einen oben drauf.

Wie schon in vorausgegengen Kolumnen vorausblickend beschrieben, führte die Themensetzung des von der amerikanischen Unterhaltungsindustrie aufgebauten Sympathieträgers Enwezor zum grossen Gähnen in der mir bekannten Kunstszene. Dies war durchaus so gewollt.


 

So bemerkt niemand, was für ein Geist sich langsam der Documenta heimlich leise bemächtigt. Die Plattformen mutierten zu stinklangweiligen Demokratienachhilfelektionen im Namen der amerikanischen Weltpolizei. Angelegt als kulturelle Vorhut um den neuen deutschen Gutmenschenimperialismus in seine Interessen einzulullen.

Nach einer perfekt inszenierten Asbestentsorgung werden wir mit einer christlich-fundamentalistischen Kreuzzugsmentalität konfrontiert, deren verlogene Moral aus New Yorker Werbeagenturen quillt. (Deshalb zeigen wir "unser" New York). Während die vielversprechende europäische Einheitsentwicklung mit der Auseinandersetzung konfrontiert ist, was den nun eine faire Globalisierung wäre, nimmt eine Riege amerikanischer Profithaie mit einem immer mehr durch Sonderregelungen allein befugten Bush die Klärung in die Hand. Betrug, Bestechung, Wahlfälschung, Mord und Krieg heissen die wichtigsten Strategieparameter auf dem Weg zum Gutesten aller guten Freiheitsstaaten. Ein Skandal wie Enron wird mit martialisch-faschistischem Welterrettungsgelalle kurzerhand weggeredet.

Dabei spannen sie die europäische Liga vereinigter opportunistischer Politiker ein, die sich verkrampft bemühen ihren peinlichen Bückling theatralisch zu inszenieren. Um ganz nebenbei dauernd darüber zu reden, dass die europäische Rüstung der amerikanischen angeglichen werden soll. Haben die eigentlich alle ein Rad ab?

Der von der amerikanischen Führung wegen Geld- und Hegemonialinteressen losgetretene Bürgerkrieg im Kongo erreichte nach letzten Schätzungen mittlerweile den traurigen Stand von 2.500.000 Toten. Um solche Zahlen verschwinden zu lassen wurde, von langer Hand vorbereitet, einer der für solche Fälle selbstgezüchteten Schurkenstaaten in Hollywood-Dramaturgie mit Bomben begutet. Für jeweils neu entstehende Probleme hat Menschenfreund Bush denn auch schon eine Liste neuer Böser Buben parat, die in Folge herhalten müssen um von anderen Planspielen abzulenken.


 

Der Keil, der von Amerikanern militärisch quer durch den afrikanischen Kontinent getrieben wurde, wird in Kürze durch einen äußerst interessanten Aspekt erweitert. Das östliche Ende der Linie Mombasa-Kinshasa wird ein deutscher Militärstützpunkt. Offizielle Begründung: Schutz des indischen Ozeans vor Terroristen.

Als ich 1997 in der Werkauswahl der Ausstellung "Ecole de Kinshasa" von fünf Künstlern Arbeiten aussuchte, die, schon vor Ausbruch in meist intuitiver Vorahnung geschaffen, Ursachen des Bürgerkriegs beleuchteten, kam trotz der schon erwähnten Künstler Chéri Samba und Móke in keiner deutschen Zeitung ein Artikel.

Ich schreibe dies nicht aus der Sicht eines "zu wenig Beachteten". Bitte verstehen Sie, daß solche thematischen Ausflüge ein allgemeines Wahrnehmungsproblem aus einer bestimmtem Sicht beleuchten sollen.

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In Okwui Enwezors Plattform-Farce der Demokratie als unvollendeter Prozess steckt für Teile unsere hiesigen Kunstwelt nichts anderes, als auf eine inhaltliche Ebene gezogen zu werden, deren Setzungen sich fatal mit politischen Interessen decken.

Eine Bestandsaufnahme zur Situation afrikanischer Künstler in Deutschland mit Stand Januar 2002 ist nicht ohne Zusammenhänge zu den geschilderten Umständen. Außer der Documenta ist mir für dieses Jahr nur eine größere Ausstellung bekannt, in der ein Afrikaner beteiligt ist. Während in anderen europäischen Ländern afrikanische Künstler als natürlicher Bestandteil der Kunstszene Möglichkeiten bekommen, sich darzustellen, gibt es bei uns nahezu nichts mehr.

Seit die Documenta ins Gespräch kam, konnte ich paradoxerweise keine Firmenausstellung und keine Ausstellung in einem Kunstverein zu afrikanischen Themen bekommen. Die letzten Jahre waren es jährlich fünf, sechs kuratierte Ausstellungen in Deutschland außerhalb der Galerieräume, die auch immer sehr erfolgreich beachtet wurden. An mangelnden Qualitäten oder plötzlich neu entstandener Konkurrenz liegt es jedenfalls nicht. Außer den langjährigen Kunden sind denn auch keine Sammler auf die Idee gekommen, ihr Spektrum durch Arbeiten afrikanischer Künstler zu erweitern.


 

Die mit Abstand unangenehmste Rolle in dem beschriebenen Wahrnehmungsdilemma spielen aber die hiesigen Politiker, von denen man, pauschalisierend flapsig ausgedrückt, glauben könnte, sie halten Kunst für zur Branche gewordene Bastelnachmittage.

Die Grünen, auf die ich Grund ehemaliger Freundschaften und inhaltlicher Parallelen als mögliche Partner bei Veranstaltungen, als Auftraggeber für Ausstellungen oder als Kunden für Ministeriumsausstattung setzte, werden wohl unter die fünf-Prozent-Hürde fallen. Irrelevant im Bereich der Kultur waren sie schon immer, von daher wird denen aus der Kunst wohl niemand eine Träne nachweinen. Eines der wenigen Male als man kulturpolitisch etwas von ihnen hörte, war ausgerechnet zum zentralistischen Bürokratiemoloch Bundeskulturstiftung. Wahrscheinlich damit sich die Zahl der Kulturfunktionäre erhöhe und auch wieder ein paar Juristen profitabel untergebracht werden können.

Wenn dann Antje Vollmer "die zeitgenössische Berliner Kunstszene" in den Clubraum des Reichstagsgebäudes einlädt, erfahre ich einen Tag später aus der Zeitung, daß sie, na wen wohl, Herr Enwezor aus New York eingeladen hatte. Ein sehr bedeutender Verteter der Berliner Kunstszene. Nur kam er nicht mal. Der Schwiegervater sei krank. ( lesen Sie: peinlich )


 

Die SPD hört weiter Dixiland (heimlich) und feiert den Kanzler aller Autos. Die ganzen kleinen Schröders verpesten nun die Kneipen mit ihren fetten Zigarren, die Viele nicht einmal richtig rauchen können. Der Kulturbegriff dieser Yuppi-Parvenues ist begrenzt auf Markennamen einiger Nobelprodukte. Weder Zigarren, teurer Zwirn, noch 8-Zylinder kommen aus Afrika, also verlangen sie diesbezüglich auch kein Kanzlermachtwort. Es waren ausgerechnet Lafontaine und Klimt, die sich für afrikanische Kunst interessierten.

Die PDS ist irgendwie ausserhalb meines Horizonts, ich werde mal der Frage nachgehen, ob das nun Kulturbolschewisten sind oder nicht. Und wenn ich an die soapliberale Partei der Besserverdienenden denke, will ich gar nicht mehr lästern. Besserverdienend. Ein so hoffnungsvolles Wort. So lieblich, ich möchte verweilen. Aber wo sind sie, haben sie noch nicht gehört, daß ich echt freuheitlich löberal reden kann. Manchmal.

Doch wehe, ich vergaß, auch lauter Juristen. Und die CDU-CSU?

Ach, wo ist mein Lieblingsfeind Franz Josef Strauß? Auch wenn es ein Diktator war, den er in Togo zum Freund hatte, - er hatte einen Freund in Afrika. Das größte Glück für Afrika kommt denn auch als Kulturgut maßgeblich aus Weihenstephan in Bayern. Dort erhalten deutsche und ausländische Braumeister ihre Ausbildung und beglücken die Welt mit unserem größten Exportschlager überhaupt.

Weil Bier ein Produkt- und nicht ein Markenname ist, glaubt man fälschlicherweise, daß Coca-Cola der führende Hit wäre. Ich sage: Bier. Ist auch viel gesünder als Tretminen und Zuckerbrause.


Ja, der Franz-Josef, der schickte noch jodelnde Bajuwaren zur Völkerfreundschaft Bierkrug stemmend auf Tournee. Da kam verbindende Laune auf.

Wenn wir also auf die verbeamteten Parlamentsweicheier und ihre selbsternannten Führer mit Jurastudium nicht bauen können, auf wen dann? Sollte man doch einmal Gotthilf Fischer und seine Chöre bitten einen Polka-Highlife oder einen Makossa-Plattler zu intonieren?

Und statt Lehrer und Soldaten schicken wir fröhliche Biertrinker und singende Hausfrauen.

In diesem feiernden Tross möchte ich mitziehen, damit ich nicht mehr so ernst wie rechts schauen muß.

Und singe wie Jim Morrison "Show me the way to the next Whisky-Bar"

Yours, Peter Herrmann

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