Kolumnen | Galerie Peter Herrmann |
10.10.2001 Kolumne, zweiter Teil kaum steht mein kleiner Seitenhieb auf die Plattform in Wien im Netz, von der ich nur über Pressekritiken Bescheid wußte, hatte ich gestern das zweifelhafte Glück, den Anfang der Berliner Plattform mit zu erleben. Der Leiter des Hauses der Kulturen begrüßt die Teilnehmer und lobt sie. Herr Okwui Enwezor begrüßt in geschulter englischer Rhetorik die Teilnehmer und lobt sie. Ein kleiner Herr, den man kennen müßte, erzählt in geschulter englischer Rhetorik, er kennt die Teilnehmer. Und lobt sie. Auch bedanken sich alle brav bei wichtigen Personen aus hiesigen geldgebenden Institutionen. Dann kommt der Star des Abends, von dem man sagt, er habe nicht selbst kommen können, weil er bedingt durch die tragischen Vorkommnisse des 11. September sein Flugzeug aus Boston nicht habe betreten können. Also Konferenzschaltung per Grossbeamer an die Leinwand. In geschulter englischer Rhetorik, auch er erinnert von der Besetzung ein wenig an eine Casting-Agentur, eröffnet er mit einem Witzlein auf sein weisses Hemd. Ein gut-gütiger Professor aus Amerika, wie man ihn sich vorzustellen hat. Auch sein Zeigefinger ermahnt aufs pädagogischste. Wie seine Vorredner, hat auch er einen wohlklingenden globalen Namen. 22 Seiten DIN-A 4 in 10er Schrift lang ist sein Vortrag, den er zwischendrin durch Improvisationen noch verlängert, was das parallele Mitlesen in englischer Sprache enorm erschwerte. Die Grenzen der Wahrnehmung verloren schon viele während des Vortrags und gingen. Apart klang blechern die Stimme der Simultanübersetzerin aus den Ohrstöpseln der fünf Plätze weiter weg sitzenden Zuhörer. Trotz hoher Konzentration kam ich nicht so recht darauf, was er denn meine. Die Erkenntnis, dass die schwarz-weiss Propagandarhetorik der amerikanischen Politiker und ihrer Werbeagenturen beleidigend einfältig ist, wussten wir schon lange. Später erfuhr ich, der Vortrag sei auch eine Utopie. Es ging um Recht und Demokratie und ein klitzekleines bißchen um Migrationen, wohldosiert die gewohnte kleine Portion individuelles Leiden als Glutamat eingebaut. Viele Personen, die nach Meinung des Professors wichtig seien, wurden im Vortrag zitiert. Gar ein Poet herbeigeholt. Auf den letzten zwei Seiten wollte des Professors Mikrophon nicht mehr so richtig. Dann kam ein deutscher Professor, keine geschulte englische Rhetorik, dünne, sehr verklemmte Stimme und erzählte, wie besonders der zweite einstürzende Turm so tragisch eindrucksvoll war und dass dies viel, vielviel schlimmer gewesen sei wie der erste. Der kleine Herr, den man kennen müsste, bestätigte dies und fügte in geschulter englischer Rhetorik hinzu, dass es sogar noch schlimmer war. Der Herr Professor im Beamer bestätigte nun seinerseits auch wie schlimm es war und relativierte noch ein wenig am ersten Turm. Er erweiterterte das geistreiche Spektrum mit dem diskursiven Ansatz, ob nun alles so sei wie es war oder ob alles nicht mehr so sei wie es war. Gemeinsam bestätigten sich die globalen Herren mit der geschulten englischen Rhetorik, dass wir es in Zukunft mit einer Flut der Bilder zu tun hätten und bekommen würden. Diese Erkenntnisse erweiterten mein Wissen ungemein. Störend nur der deutsche Professor, der mit verklemmter Fistelstimme partout nicht von seinem zweiten Turm lassen wollte und unter Hinzuziehung von Kant's Namen und, war's Wittgenstein, nee Moment, ein anderer, immer wieder darauf zu sprechen kam. Derweil sich Herr Enwezor in nickendem Schweigen übte. Als sich der Herr Professor im Beamer dazu verstieg, die zwei Türme, (- Sie wissen, die von dem tragischen, verabscheuungswürdigen, die Welt verändernden Ereigniss des 11. September) als die Wahrzeichen der Demokratie zu bezeichnen, war die Grenze meiner Aufnahmefähigkeit erreicht und wie viele Andere machte ich mich vorzeitig auf den Nachhauseweg. Durch den Park zu Fuß gehend, hoffte ich zunächst, nicht in eine wilde Hatz der Hundertschaften zu geraten, die vor der Residenz Bellevue des Bundespräsidenten auf Terroristen lauerten. Danach hatte ich Zeit, mir die Kosten des erhellenden Spektakels vor mein geistiges Auge zu führen. 200.000 Mark, so grob geschätzt. Derweil:
...keine einzige öffentliche Sammlung in Deutschland, die eine Arbeit eines afrikanischen Künstlers der "nach 89er Generation" ankauft. Weiterhin kein bedeutender Sammler, der sich interessiert. Die Vorgehensweise von Herr Enwezor ist so langweilig wie durchsichtig........ Ich kann es drehen und wenden wie ich möchte. Mir dünkt, als werde ich verschaukelt. Lassen sie es mich die Veranstaltung abschließend ein wenig anders noch einmal beschreiben. Ungefähr so: Sie sitzen in einem Fünf-Sterne-Restaurant. Amuse-Gueuel gibts heute nicht. Die Vorspeise wird von fünf wichtig gekleideten Herr Obern auf einem Tablett in würdevollem Gang gebracht und besteht aus einer etwas glibberigen Masse. Ein Wackel-Fou-Fou mit Zucker-Curry. Der Hauptgang besticht dann in Nuancierungen und Sie beginnen sich wieder langsam mit der Haute Cuisine zu versöhnen. Wäre da nur nicht dieser schon vorgekaute Kaugummi am Tellerrand und das Geräusch eines fingernägelknabbernden Servanten. Das Dessert dann eine Créme du Fruchtzwerge , tres Original au Manteau de Plastique, den Alu-Deckel halb geöffnet avec une Prise de Gülle-Poudre. Mit Silberlöffel. Na wartet ! Es grüsst Sie - Peter Herrmann
Der INFORMATIONSDIENST KUNST bezog sich auf meine vorige Kolumne
Lesen Sie zum aktuellen Thema Amerika-Afghanistan: Ein Artikel aus der FAZ vom 28.09.2001 von Arundhati Roy. Zur Erinnerung, wer sie züchtete, die Husseins, bin Ladens und Kabilas. Unabhängig davon, was wir von dem neuen Krieg halten. |
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