Potsdamer Neueste Nachrichten 06.07.2004

Presseseite der Galerie Peter Herrmann



„Heimkehr in ein fremdes Glashaus“

Ausstellung mit acht afrikanischen Künstlerinnen im Waschhaus über das Afrika-Festival hinaus

Von Frank Jast

Afrika ist immer mal wieder eine Nachricht wert - meistens eine schlechte. Unser Katastrophenbewusstsein ist nicht unwesentlich an den Leid-Bildern von diesem Kontinent geschult. Da ist es mehr als lobenswert, dass im Waschhaus afrikanische Kunst gezeigt wird, die Afrika auf andere Art beleuchtet als mit reißerischem Mitleid oder martialer Hilflosigkeit.

Und in diesem Jahr lohnt das Ansehen der Ausstellung wirklich ungemein. Die Zusammenarbeit mit dem Berliner Galeristen Peter Herrmann hat sich als Glücksfall erwiesen. Der in seinem Phlegma unerschütterliche wie geistsprühend humorige Schwabe hat selbst über zehn Jahre in Afrika gelebt und kennt sich bestens aus in den verschiedenen regionalen und urbanen Kunstszenen.

Und was hat er für die Potsdamer auch nach dem Afrika Festival im Waschhaus (bis 22. Juli) zu bieten? Acht Künstlerinnen aus Algerien, Nigeria, Kenia, Ägypten, Angola, Äthiopien und Südafrika präsentiert der Galerist in seiner Ausstellung „L`Afrique à venir“ (Afrika im Kommen). Gemeinsam ist all diesen Frauen ein verdammt unprätentiöser Blick auf die Wirklichkeit der Welt. Ob sie fotografieren, malen oder Metallteile zu Skulpturen zusammenschweißen, ihr Zugriff auf das Material „Wirklichkeit“ ist bar jeder Gefühlsduseligkeit, mag auch noch so viel Traurigkeit und Melancholie in den Werken mitschwingen.

Da fallen einem sofort die karstigen Skulpturen aus Stahl und Plexiglas der international schon arrivierten Nigerianerin Sokari Douglas Camp ins Auge, die mit ihrem „Bike 2000“ den unbestrittenen Höhepunkt der Ausstellung markiert. Lebensgroß schmiegen sich die Figuren von Mann, Frau und Kind auf einem Motorrad aneinander. Menschen und Maschine erscheinen einem wie zigmal geborsten, zertrümmert und doch immer wieder neu, wenn auch mit unwiederbringlichen Fehlstellen, dafür aber mit schier unerschöpflichen Sinn für das Improvisieren zusammengezimmert. Und siehe, die Maschine läuft. Die Räder drehen sich (hier angetrieben durch zwei Motoren) und die Menschen bewegen sich fort. Heißt das nicht auch, sie sind im Kommen? Diese große Skulptur ist eine eindringliche Metapher für den Zustand Afrikas: Nichts scheint mehr unzerstört, doch die Botschaft lautet, aus den Trümmern ist allemal noch alles machbar.

Und immer wieder sind es die Themen Öl und Gewalt in ihrem unauflösbaren Zusammenhang, die die Künstlerin schmerzlich umtreibt. Da ist der ausgemergelte Frauenkopf, der Kanister trägt, in denen zwischen Plexiglas das Bild eines alles verzehrenden Feuers wabert. Erinnerung an all jene Frauen, die Pipelines anbohrend durch Fährlässigkeit bei Explosionen oder spontanen Entzündungen in Flammen aufgehen. Um mit gestohlenem Öl das Überleben der Familie zu sichern, muss das eigene Sterben in Kauf genommen werden. Ingrid Mwangi aus Kenia macht sich selbst zum Objekt der eigenen Kunst. In ihrer Serie „Shades of Skin“ (Schattierungen der Haut) aus vier großformatigen Farbfotos zeigt uns die Künstlerin zuerst ihr konzentriertes Gesicht mit Händen, aufgehoben wie zu einem Gebet, einer Beschwörung. Dann bietet sie uns ihren Rücken dar, mit vernarbten Striemen übersät, die zwar gut verheilt, die Erinnerung an erlittene Qual nicht vergessen lassen. Darauf folgt ein Foto mit schönen Händen, die sich auf den Schenkeln kurz über den Knien aufstützen. Das letzte Bild zeigt ihre angeschmutzten Füße, die gerade die Erde zu verlassen scheinen, als ob sie zum Flug abhöbe. Oder baumeln die Füße nur, wie wenn eine aufgehängt ist?. Die Kraft dieser Serie, die sie auch in ihrer Videoinstallation kultiviert, erwächst aus einer fast stoischen Ruhe, aus einer Gelassenheit, die um die Gefährdung der eigenen Würde weiß.

Wie eine Verteidigung dieser Würde erscheinen die malerischen Figuren von Manuela Sambo. Ihre hochaufgerichteten Frauengestalten mit dem traditionellen Tuch um Unterleib und Beine erstarren zu beseelten Totems. Diese bedachtsame und verständige Majestät der menschlichen Gestalten nimmt den Betrachter regelrecht gefangen. Doch wer in die Augen der Frauengestalten schaut erschauert auf das Heftigste. Sie sind schwarz verschattet oder gleißend weiß wie bei umgehenden Toten, die noch eine blutige Rechnung offen haben.

Ganz anders bleibt die Luft weg bei den Arbeiten aus der Serie „Die Welt im Einmachglas“ der Algererin Nicole Guiraud. Die Künstlerin weckt in zahlreichen Gläsern unsere weiße Kultur ein. Sie nimmt kleine Spielfiguren aus amerikanischen Comicwelten und fantasiert mit finsterem Humor unsere westlich Kultur in surreale, oft genug blutselige Welten und versiegelt sie. Da winkt zum Beispiel eine stark menstruierende Mini Mouse aus einer Flaschenverschlusskappe. Batmans Kopf zerschellt während des Fluges an der Wand des durchsichtigen Behältnisses und ein Blutstrom stürzt zu Boden. Eine Madonna aus Plaste hält ein Jesus Kind mit Mickey-Mouse-Kopf. Supermann, einen hölzernen Kochlöffel in der Hand, kocht die Erdkugel wie eine böse Hexe in einem Kupferkessel. Und als Kommentar zur Fußballeuropameisterschaft läuft eine Mickey Mouse mit einem Ball statt eines Kopfe an, um seinen Kopf statt eines Balles zu treten.

Von großer poetischer Kraft sind Sambos Objekte aus der Serie „Flaschenpost. Autbiographie eines Jahres". Beschriebenes Papier, Zeitungsausschnitte, Fotos, Folien bilden hier in den Flaschen ein Tagebuch von subtil komponierten Collagen aus Versatzstücken von Verlorenheit und des entwurzelten Umhergetriebenseins im Exil. In den Flaschen stecken solche Satz- und Überschriftfetzen wie „Heimkehr in ein fremdes Glashaus" oder „Im Süden nichts Neues". Der Betrachter entdeckt Landkarten, die Fluchtwege markieren oder fein gezeichnete Bilder auf Folie, die mit Vorbildern aus der europäischen Kunst spielen. Keiner sollte achtlos an diesen Hilferufen vorbeigehen.

Im ersten Raum der Ausstellung fallen einem sofort die drei großen Tafelbilder der Südafrikanerin Liz Crossley ins Auge, die vom katastrophalen Raubbau an der Landschaft Afrikas erzählen. Yenatfenta Abate aus Äthiopien imaginiert mit zarten Strichen von Tinte, Kugelschreiber und Wasserfarbe skurrile Schuhputzerträume auf Papier. Susan Hefuna aus Ägypten zeigt irritierend-flirrende Bilder unter dem Titel „Nil Delta" und Louzla Darabi aus dem Oran bietet malerisch expressive Werke.

Ausstellung

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/06.07.2004/1227914.pnn