Stuttgarter Zeitung. 8. Mai 2001

Gefälscht oder echt?

Presseseite der Galerie Peter Herrmann




 

Völkerkundler streiten über wissenschaftliche Methoden

Der Anfang ist harmlos. Fritz Falk, der Direktor des Pforzheimer Schmuckmuseums, mustert für eine Ausstellung in der Schweizer Stiftung für vergessene Kulturgüter Akan-Goldobjekte, sieht dabei Bronze- und Terrakottafiguren aus den vorkolonialen Königreichen Ife und Benin (heute Nigeria) und beschließt zusammen mit dem Stiftungskurator Hans Kübler, diese ebenfalls zu zeigen. Gesagt, getan, vom 28. Mai bis 27. August 2000 sind Kunst und Schmuck Mittelpunkt der Pforzheimer Schau "Ife, Akan und Benin''. Publikum und Presse sind begeistert.

Kaum erzählenswerte Vorwehen einer Ausstellung, gäbe es da nicht die elendigen Nachwehen. Denn zeitgleich, im Juli und August 2000, gehen drei Briefe mit dem Kopf des Stuttgarter Lindenmuseums nach München. Einer an die Leiterin des Afrikareferats im Völkerkundemuseum und zwei an die Regierung von Oberbayern, Absender jeweils Hermann Forkl, seines Zeichens Leiter der Afrikaabteilung im Lindenmuseum. Darin beschuldigt Forkl den Ethnologen Stefan Eisenhofer, just als der zum Gutachter für Kunst des westlichen und südlichen Afrika vereidigt und zum Afrikareferenten des Münchner Völkermuseums ernannt werden soll, "für Gefälligkeitsgutachten erpressbar'' zu sein, weil er "offensichtlich Teil'' eines "von Mailand bis vor die Tore von Frankfurt/M. reichenden Netzwerks aus Galerien, Stiftungen und Sammlern sowie Laboratorien'' sei, diesem eine "wissenschaftliche Reputation'' verleihe. Das Netzwerk schaue "nur nach dem abzuschöpfenden Geld'' und bringe Fälschungen in Umlauf.

Vorwürfe, die Forkl an der Mitarbeit Eisenhofers beim Pforzheimer Projekt aufhängt - der Ethnologe hielt die Vernissagenrede und verfasste einen Katalogtext - und einige Tage später in einem Interview mit der Münchner "Pic''-Redaktion wiederholt. Eisenhofer, seit Februar 2001 doch Afrikareferent in München, fasst dies als "Rufmordkampagne'' auf. "über Dritte erfuhr ich im Sommer von den Schreiben'', sagt er "Ich habe den Mann nie getroffen, das ist mir völlig unverständlich.'' Zumal ihn Forkl noch wenige Monate zuvor auf Anfrage des Pforzheimer Museums als "zwar nicht immer Mainstream'', aber "integer'' bezeichnet habe.

Grund genug für Falk, um Eisenhofer zu engagieren. "In der Wissenschaft sind neue Betrachtungsweisen nie zum Nachteil'', sagt er. Während Forkl afrikanische Kunst mit Hilfe traditioneller Stilvergleiche beurteilt, zieht Eisenhofer auch naturwissenschaftliche Techniken hinzu. Dazu gehören beispielsweise Patina-Untersuchungen oder die Thermoluminiszenz-Methode (TL), bei der das Alter einer Keramik plus minus 20 Prozent anhand Messung der radioaktiven Strahlung zum Brennzeitpunkt festgelegt werden kann. Methoden, die auch bei der Datierung der Pforzheimer Exponate eine Rolle spielten. Der Physiker Ralf Kotalla erstellte die TL-Analyse und die Frankfurter Firma Aventis Research and Technologies untersuchte die Patina. Mit Ergebnissen, die, so Forkl, nach stilistischen Kriterien falsch seien, ergo sei ein Teil der Pforzheimer Exponate nicht authentisch. So könne man mit ionisierter Strahlung Stücke älter machen, was durch die TL nicht nachweisbar wäre.

"Das stimmt nicht'', sagt Ralf Kotalla, "Herr Forkl zitiert zusammenhanglos aus einem Fachbuch. Derlei Manipulationen sind problemlos erkennbar.'' Er verwendet die TL seit 22 Jahren in seinem Haigerlocher Labor für Fälschungserkennung und arbeitet für internationale Galerien, Institutionen und die Kriminalpolizei. Kotalla hat nun im Januar gegen Forkl wegen Unterlassung von Äußerungen wie: sein Labor würde zu Fälschungen benutzt, geklagt. "Meine Gutachten sind neutral'', sagt er. "Ich kann nicht zulassen, dass die Methode in Misskredit gerät.'' Auch die Züricher Galerie Walu, ebenfalls Leihgeber für Pforzheim, hat im Januar wegen Rufschädigung geklagt. Forkl hat Walu nicht nur schlechten Leumund und Verdächtigkeit konstatiert, sondern sieht dort auch das Zentrum des "Krakenkartells'', unter dem "Museen leiden''. "Völlig absurd, ich will eine Entschuldigung'', sagt René David, der Seniorchef von Walu. "Ich habe dem Lindenmuseum noch nie etwas offeriert. Ich kenne Herrn Forkl gar nicht. Er hätte leicht von uns Auskunft bekommen. Bei wissenschaftlichen Disputen veranstalten Fachleute ein Symposium, stattdessen schreibt Herr Forkl Verleumdungen.'' David erklärt, er hole weltweit und mehrfach für seine Stücke Echtheits-Expertisen ein. Forkl habe echte Sachen für unecht erklärt, obwohl er diese nur auf dem Foto oder hinter Glas gesehen habe.

Dass Forkl die Pforzheimer Exponate nie in der Hand gehabt hat, bestätigt auch Fritz Falk. "Ich hätte ihm gerne die Vitrinen geöffnet'', sagt er, "aber er war hier inkognito.'' Die anderen Betroffenen, Aventis und die Stiftung für vergessene Kulturgüter, sehen noch davon ab, gegen Forkl zu klagen. Hans Kübler hat aber zum Fall eine umfassende wissenschaftliche Stellungnahme verfasst. "Die liegt seit Ende Januar dem Lindenmuseum vor, ohne Antwort'', sagt er. Das verwundere ihn kein bisschen, so Peter Herrmann, angeblich ebenfalls Kartellmitglied. "Das ist symptomatisch für das Lindenmuseum'', sagt der ehemalige Stuttgarter und jetzige Berliner Galerist. "Abschotten, das macht den Kunststandort Stuttgart kaputt.'' Forkl hatte Herrmann wegen Ehrkränkung verklagt, im März wurde ein Vergleich geschlossen. Eine Lösung, die in den Fällen Kotalla und Walu scheiterte.

Ende Mai geht es in die öffentliche Hauptverhandlung, bei der Forkl die Beweispflicht hat. Und somit auch das Lindenmuseum; darum werden die Anwaltskosten unterdessen vom Regierungspräsidium getragen. Anfangsschwierigkeiten für den neuen Direktor Thomas Michel? "Wir müssen nun halt den Kopf hinhalten'', sagt er. "Das war wohl vor meiner Zeit so abgesprochen. Entweder sind die Stücke falsch oder nicht. Wenn nicht, dann geht dies das Lindenmuseum nichts mehr an.''

Von Petra Mostbacher-Dix

 


Stuttgarter Posse

Stuttgarter Nachrichten vom 24.April 2001

Die Ausstellung: 200 Jahre Metallkunst aus Afrika