Tagesspiegel vom 21. Januar 2012

Kunst & Markt

Presseseite der Galerie Peter Herrmann


  Der Tagesspiegel
Korallen und Halskrausen
 
 



Aus einem Guss. Königinmutter aus Benin, Nigeria, entstanden um 1650. Foto: Herrmann

 

Afrikas historische Bronzen: Die Sammlung Paul Garn bei Peter Herrmann.  
Die Mär vom dunklen Kontinent: Lange glaubte man in Europa, die Völker Schwarzafrikas hätten weder dauerhafte Staaten noch Kunst hervorgebracht. Doch bereits im Mittelalter entstanden dort mächtige Reiche, die hochwertiges Kunsthandwerk förderten – meist im

 

Auftrag der Königshöfe. Während Holzskulpturen die Zeitläufe oft nicht überdauert haben, sind viele erstklassige Metallgussarbeiten erhalten. Ab etwa 1900 wurden sie von europäischen Völkerkundemuseen gesammelt.

Einer der wenigen auf klassische afrikanische Kunst spezialisierten Galeristen in Deutschland ist Peter Herrmann. Zehn Jahre lang lebte der Innenarchitekt in Nordwest- und Zentralafrika, wo er Kulturen der Region erforschte.

1989 eröffnete er in Stuttgart seine Galerie und verlegte sie zwei Jahre später nach Berlin. Nach drei Ortswechseln hat er nun Räume in der Potsdamer Straße bezogen: Das zweigeschossige Hof-Gebäude bietet ein perfektes Ambiente. Derzeit zeigt Herrmann Bronzen der Dogon- und Benin-Kulturen aus der Sammlung Paul Garn. Der wohlhabende Weinhändler zog in den 20er Jahren von Breslau nach Dresden um und baute dort eine Kollektion antiker Bronzen aus Afrika auf. Nach seinem Tod wurde die Sammlung durch zweitrangige Ankäufe verwässert und vor wenigen Jahren aufgelöst.

Herrmann präsentiert die 26 besten Stücke. Er kann sie mit dem Thermoluminiszenzverfahren recht genau datieren: Gebrannter Ton gibt bei Erhitzung Wärme- und Lichtstrahlung ab. Ihre Analyse erlaubt Rückschlüsse auf Zusammensetzung und Alter der Substanz. Da afrikanische Bronzen im Verfahren der verlorenen Form gegossen werden, enthalten sie oft einen tönernen Gusskern und zuweilen Tonreste an der Oberfläche. Dann ist eine Datierung ohne weitere Quellen möglich.

Bei etlichen Bronzen ist die Herkunft bekannt; etwa bei den 2000 Objekten im Königspalast, die britische Truppen 1897 bei der Eroberung des Benin-Reiches im heutigen Süd-Nigeria erbeuteten. Sie wurden auf Auktionen in London versteigert: 600 davon erwarb Felix von Luschan für das Berliner Völkerkundemuseum. Sein Bestand an Benin-Kunst zählt bis heute zu den bedeutendsten weltweit. Ebenbürtige Stücke, die keiner Raubkunst entstammen, sind bei Herrmann zu sehen. „Insgesamt sind etwa 10 000 Bronzen aus Benin bekannt. Viele davon wurden aus Nigeria während der Krise in den 90er Jahren regulär exportiert“, betont Herrmann: „Nach der Stabilisierung der heimischen Wirtschaft bemüht sich der Staat, dieses nationale ,Familiensilber’ zu repatriieren: Afrika kann seine Geschichte nur durch historische Kunstwerke erschließen, weil seine Kulturen schriftlos waren.“

Angesichts ihrer Bedeutung sind die meisten Objekte überraschend preiswert. Massive Bronzeköpfe von Herrschern oder hohen Würdenträgern aus dem 19. Jahrhundert mit charakteristischer Halskrause aus stilisierten Korallenketten kosten 20 000–28 000 Euro; ähnliche Stücke, die zwischen 1600 und 1650 entstanden, niedrige sechsstellige Beträge. Auf 30 000 Euro wird eine einzigartige Bronzemaske aus dem Grenzgebiet von Ost-Nigeria und Kamerun aus dem 18. Jahrhundert taxiert. Sie kombiniert ein behelmtes Antlitz mit einer Vogel-Figur. Vergleichbares ist nicht bekannt. Zwei hervorragend erhaltene Reliefplatten von 1620 bis 1650 mit lebendigen halbplastischen Szenen kommen auf 40 000 bis 45 000 Euro.

Noch günstiger sind Kleinbronzen der Dogon in Mali; ihre Kunst wird zurzeit in der Bundeskunsthalle Bonn ausführlich vorgestellt. Um 1800 entstandene Reiterfiguren kosten 4000 Euro, die Bronzeminiatur einer reich verzierten Getreidespeichertür nur 3500 Euro. Solche Arbeiten können im Wert nur steigen, wenn etwa mehr Afrikaner zu Geld kommen und ihr historisches Kulturerbe zurückkaufen wollen.

Galerie Peter Herrmann, Potsdamer Straße 98 A; bis 11. Februar, Di - Fr 14 - 19, Sa 11 - 16 Uhr

 

 

Originalartikel auf der Seite des Tagespiegel

 

     

 

Anmerkung von Peter Herrmann

Wegen noch nicht ganz geklärter Herkunft von zwei oder eventuell drei Objekten aus dem alten Dresdener Sammlerumfeld der Familie Garn und nicht der Familie selbst, möchten wir bis zur Klärung der Hintergründe darauf hinweisen. Der Enkel von Paul Garn, von dem alle 27 Objekte der Ausstellung angekauft wurden, machte diesen Hinweis erst nach einer nochmaligen Recherche im November 2011 nach Drucklegung unserer Broschüre. Diese kleine Nuancierung hat keinen Einfluss auf Alter, Wert und Qualität der Objekte.

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