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Peter Herrmann. Februar 2007
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Schöpfungs- oder Entwicklungstheorie

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Geschichte Nigeria

Kunsthistoriker

TL-Analyse

Wer nach zweihundert Jahren der Aufklärung meint, das Leben wäre von Vernunft und Logik bestimmt, wird sich nach einem Betrachten der ethnologischen Wissenschaft und ihrer Einstellung zur Kunstgeschichte Nigerias eines Besseren belehren lassen müssen.

Wie erwartet ging nach der Eröffnung der Ausstellung Bronzen aus Ife und Benin ein wilder Reigen von Beschimpfungen und Beleidigungen los, die sich, wie in dieser Szene gewohnt, natürlich hauptsächlich im Rücken der Macher abspielt. Wie schon ironisch in meiner letzten Kolumne über Fälschung und Vision beschrieben, haben wir es mit einer Melange von Gerüchten, Vermutungen und Dogmen zu tun, die sich sehr dubios aneinander reihen. Heute möchte ich mich weniger über Sammler und Händler äußern, die bekamen in vorigen Kolumnen schon ihr Fett weg. Diesmal geht es um die Dritten im Bunde, die von Dreieinigkeit aber weit entfernt sind.

Wenn ich im Folgenden populistisch vereinfachend pauschalisiere, meine ich natürlich nicht alle Mitglieder eines Berufsstandes. Manchmal heiligt der Zweck die Mittel. Die Richtigen werden sich schon angesprochen fühlen.

Nach dieser Relativierung also munter los:

Wir haben es offensichtlich bei der Spezie des gemeinen Anthropologen und der gemeinen Anthropologin mit einem totemistischen Verwandten des Hasen zu tun. Er knabbert gerne an Rüben die er nicht gepflanzt hat, hält sich bei nahender Unbill gerne in einer Ackerfurche bedeckt um beim leisesten Schreck Haken schlagend das Weite zu suchen. Doch leider hinkt der Vergleich, denn, im Gegensatz zu vielen Anthropologinnen und Anthropologen, redet der Hase nicht schlecht über diejenigen, die die Rüben pflanzten. Auch wird der Hase kaum eine Theorie entwickeln, mit der er den Anschein von Intelligenz vermitteln möchte um dieses Anliegen mit einem extra dafür entwickelten Titel zu untermalen.


Um beim Dümmsten zu beginnen. Einige Wissenschaftler behaupten allen Ernstes noch heute, bei Bronzen aus der Benin-Kultur seien nur jene authentisch, die bei einer Militärexpedition der Briten 1897 als Vergeltung aus dem Palast des Königs "mitgenommen" wurden. Andere gäbe es nicht. Um es auf den Punkt zu bringen: ein reaktionäres Gefasel ohne jegliche Beweise. Ungefähr so geistreich wie: Es gibt keine französische Kunst ausser die im Louvre.

Die Begründung für diese Haltung ist so einfach wie naiv: Da die Beurteilung der Bronzen durch Expertisen zu umstritten sei, ergibt sich, dass die einzigen, die mit Sicherheit über alle Zweifel erhaben sind, jene seien, die vom Militär nach Europa verbracht wurden. Der Beweis für die Echtheit ist die Seriosität des Einsatzes. Da somit alle anderen Objekte mit Zweifel behaftet sind, gelten sie als nicht echt, weil die Provenienz nicht beweisbar sei. Nicht beweisbar, weil nicht als Gegenstand einer Feldforschung eines Ethnologen dokumentiert. Nicht echt ist falsch und wer diese Objekte hat ist Fälscher oder Akteur eines Fälscherrings.

Dass aber Expertisen immer wieder Zankapfel sind, liegt wiederum genau an derselben Gruppe von Museumsethnologen, die nicht nur jeden Klärungsansatz verhindern, sondern mit ihrer rigiden Haltung unter Betonung ihrer Autorität den Streit unter Händler und Sammlern permanent neu entfachen. Um sich der Verantwortung als Streitverursacher zu entziehen, schildern sie Versuche zur Klärung als Wertsteigerungspolitik eines profitsüchtigen Marktes mit dem sie nichts zu schaffen haben möchten. Ihre eigene Seriosität bestätigen sie sich selbst, indem sie die Unabhängigkeit von Wertschaffung betonen und die Objekte als bedeutungsvolle Ausdrucksmittel und Werkzeuge gesellschaftlicher Interaktionen sehen. Dabei sei die Menge der vorhandenen Objekte nicht von Bedeutung. Dem Streit, von ihnen selbst verursacht, entziehen sie sich in einer Mischung von Feigheit und Arroganz mittels ihres selbst geschaffenen Dogmas.

Hase auf Wolke sieben.

Bei genauer Betrachtung spielt sich hier in einer Endlosschleife das Märchen von den bedrohlichen Massenvernichtungswaffen eines Saddam Hussein ab. Um einen Plünderungsfeldzug zu rechtfertigen wurde im Vorfeld von den britischen Kolonisatoren das Märchen von der sozialen Dekadenz und dem Niedergang einer Kultur in die Welt gesetzt und noch schön mit nicht bewiesenen Menschenopfern garniert. Nach einem provozierten Zwischenfall wurde der Palast geplündert und das Diebesgut gewinnbringend an Museen wie Berlin, Wien und Stuttgart verkauft.

Wie immer man nun Bronzen aus meiner jetzigen Ausstellung betrachtet, eines ist gewiss: Die meinen sind nicht gestohlen sondern bezahlt und niemand musste sein Leben lassen. Hier dürften wir auch den Schlüssel in der Hand haben um das dämliche Herumgetue einiger Museumsleute zu verstehen. Da bei genauer Betrachtung die geschichtliche Interpretation des Siegers eine hingebogene Geschichte ist, muss man das, was nicht passt als Dogma behaupten. Ife und Benin sind Adam und Eva. Plötzlich waren sie da und gebaren Legenden. Das Paradies war eine Hochkultur, schön systematisch geordnet in Geschichtlein und Geschichten. In hohe und mittlere Phasen. Mit Bezugssystemen, die aus oraler Tradition gefischt, von der Vermutung zur Behauptung mutierten. Könige und Herrscher lesen sich wie alttestamentarische Überfiguren, absolutistische Gottgleichheiten wurden fabuliert und der Sündenfall war das vermeintliche Opfern von Menschen, worauf die Vertreibung aus dem Paradies 1897 als gerechte Strafe folgte.

Der Tonkern aus dem Adam geformt wurde, ist so heilig, dass man ihn keiner Thermolumineszenz-Expertise aussetzen darf. Beseelt vom Odem der Afrikanisten enstand Eva aus seiner Rippe und durfte noch eine untergesetzte Rolle als Königinmutter spielen. Neben dem Gottgleichen, aber nicht Göttinnengleich.

Aus dieser absolutistischen Herleitung wurde, um einen möglichst hohen Wert zu erzielen, das Märchen von der königlichen Exklusivität in die Welt gesetzt. Dass schon Felix von Luschan, der Direktor des Berliner Museum für Völkerkunde kurz nach 1900 annahm, es müsse noch ein grosses Kontingent an versteckten Bronzen geben, wurde zugunsten des Siegerprofits unter den Teppich der Geschichte gekehrt. Doch seit etwa 30 Jahren tröpfeln unaufhaltsam hunderte von Bronzen auf den Weltmarkt. Sie wurden zunächst einzeln, exklusiv und königlich am Markt angeboten. Kamen sie von einem renommierten Händler oder einer gut gehipten Sammlung, wurde das Objekt zwischen 100.000 und 2 Millionen Euro zugeschlagen. Niemand aus dem Museum kam auf die Idee, einen Skandal mit Sotheby's, Druot oder Christies anzuzetteln, obgleich sehr wohl bekannt war, dass fast alle solchermassen angebotenen Objekte nicht aus dem nummerierten Kontingent der Plünderungsrazzia stammten.

Kam die gleiche Qualität von einem Sammler oder Händler ohne grossen Namen auf den Markt, wurde er dermassen abqualifiziert, dass plötzlich nur noch Preise von 1.000,- bis maximal 30.000,- Euro erzielt wurden. Zum Leidwesen für den Kunden hatten diese Objekt dann auch einen entsprechend schlechten Wiederverkaufswert.


Noch etwas ist von großer Bedeutung in diesem unglücklichen Spiel. Die Kunstgeschichte Nigerias. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich hierarchisch einige wenige Objekte einem Herrschergeschlecht zuordne oder Wohlstand und Kunstfertigkeit einer ganzen Bevölkerung zubillige. Es war bei allen Kolonialmächten der gleiche Vorgang. Um die kolonialen Eskapaden vor der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen, mussten die zu kolonisierenden Kulturen als möglichst niedrig beschrieben werden. Nur so konnte man plausibel darstellen, warum damals Der Neger als solches dringend der westlichen Zivilisation bedürfe.

Betrachtet man nun die Geschichte im wissenschaftlichen Sinne, korrekt befreit von Moral, kann man vor beschriebenem Hintergrund noch einen Sinn erkennen. Geld, Macht und missionarischen Eifer. Wenn heute dieser Unsinn der Palastexklusivität von ein paar verstaubten Gralshütern weiter aufrechterhalten wird, stellt sich die Frage nach Warum. Egal wie man dreht und wendet, es kommt ein reaktionärer Strukturkonservatismus zum Tragen, der offensichtlich Gegenstand in Studiengängen ist, sonst könnte man sich seine Verbreitung nicht erklären.

Als Beweis für die These, dass alles Fälschungen seien was nach dem Palastniedergang auf den Markt kam, werden Fotos von Frau Doktor präsentiert, wie sie in einer Werkstatt für touristische Repliken steht. Diese Logik führe man sich in aller Ruhe mal zu Gemüte. Der Beweis, dass es keinen Ferrari gibt, ist ein Foto einer Hinterhofwerkstatt mit einem Opel. Au weh.

1989 erwarb ich von einem Nigerianer, der von Kunst und Antiquitäten sehr wenig Ahnung hatte, vier Gedenkköpfe, die er als Branchenfremder bei seinem beruflichen Aufenthalt in Deutschland angeboten hatte wie Sauerbier und überall damit regelrecht hinausgeworfen wurde. Auf meinen Hinweis im Gespräch mit ihm, dass es die Möglichkeit einer TL-Expertise gebe, reagierte er sehr erfreut und übernahm zu meiner Überraschung auch selbstsicher die Kosten. Ich hatte mehrere Jahre in Nigeria gelebt, war von dort blumige Geschichten gewohnt und deshalb sehr misstrauisch. Ich stellte Fragen über die Herkunft und Hintergründe und bekam bereitwillig Auskunft. Von drei der vier Objekten nannte er sogar das Gussjahr, das er mit einer Freigabe der Motivlizenzen an die Gießergilde Iguneronmwon begründete. In einem Objekt, einem in Benin gegossenen Kopf im Ife-Stil, konnte ein Gußkernrest gefunden werden und siehe da, das Alter deckte sich genau mit seinen mündlichen Beschreibungen auf 1880.

In der Folgezeit reiste ich mehrfach nach Benin und bekam übereinstimmend immer die gleiche Geschichte zu hören. Als die Briten nach mehreren Monaten der politisch-militärischen Intrigen endlich wie erwartet einrückten, hatte die Stadtbevölkerung genügend Zeit die Stadt mit ihrem wertvollen Hab und Gut zu verlassen. Das Wertvollste waren unter Anderem Bronzen, die alle wichtigen Persönlichkeiten in ihrem Hausschrein bewahrten. Nachdem die Briten abrückten, holten sie alles Wichtige wieder aus den Verstecken.

Wer nun mitdenkt, stellt sich zwangsläufig die Frage, warum dann erst so spät bekannt wird, dass es zusätzlich zum Raubkontingent noch weitere Bronzen gibt. Dies hat zunächst einmal mit der oben beschrieben Negierung zu tun. Es hat aber noch einen weiteren Grund, warum erst die letzten 30 Jahre in einer bestimmten Anzahl Objekte auftauchen. Ein wesentliches Merkmal der britischen Kolonialpolitik war die Aufrechterhaltung traditioneller hierarchischer Strukturen. In diesem System lebten lokale Chiefs und ihre Familien in geordnetem Wohlstand. Erst nach den Machtkämpfen der Unabhängigkeit, den Wirren des Biafra-Krieges und einem unglaublich korrupten Folgesystem begannen ganze Familienclans in die Armut abzurutschen. Wie überall auf der Welt in solch einer Krise, begann man das Tafelsilber zu verkaufen. Mit paralleler Christianisierung verloren die alten Gegenstände auch ihren immateriellen Wert und eine Trennung fiel leichter als zu früheren Zeiten.

Ein weiterer Grund weshalb sich niemand traute das Thema Bronzen öffentlich zu machen, waren und sind nigerianische Ausfuhrbestimmungen. Definiert wurde eine nationale Kulturhoheit bestimmter Objekte vor dem Hintergrund einiger weniger Ausgrabungen und der beschriebenen Leugnung des Vorhandenseins von Objekten. Während der Dauer meines Aufenthalts in den achtziger Jahren gab es keinen - und ich betone - keinen - grenzüberschreitenden Handel egal mit welchem Produkt, der auch nur in Andeutung das Prädikat legal hatte. Bestimmungen gab es auf dem Papier und dienten im besten Falle dazu, als Argument das Schmiergeld in die Höhe zu treiben.

Über Douala, Cotonou und Lomé pendelte sich sich der Antiquitätenmarkt ein. Von dort konnte legal nach Europa ausgeführt werden und man behielt als Europäer die weisse Weste an. Gleichwohl wusste niemand wirklich richtig, wie weit die Rückforderungen von Seiten einer nigerianischen Regierung gehen würden, denn durch die ganze Geheimnistuerei konnte lange Jahre niemand die Anzahl der gehandelten Objekte abschätzen.



Ein Grund dieser jetzigen Ausstellung ist deshalb auch die Hoffnung, dass die kunstgeschichtliche Bedeutung gesehen wird und die Überarbeitung von Objekten besser geführt werden kann. Durch eine pro forma Illegalisierung des gesamten nigerianischen Handels entsteht auch für die dortige Wissenschaft ein großes Problem, das der Afrikanist Ohioma Pogoson als Stipendiat der Akademie Schloss Solitude Mitte der Neunziger zu lösen versuchte. In Nigeria weiss man nahezu nichts über den Verbleib der meisten kulturellen Güter. Sechs Monate hatte er Zeit, im deutschsprachigen Raum zu forschen. Als Resultat der Rückforderungsdiskussionen in den 1970er und 80er Jahren schloss man jedoch ängstlich die Asservatenkammern und verbaute Feldforschung aus afrikanischer Sicht. Als die größten Blockierer tun sich hier paradoxerweise einige Völkerkundemuseen hervor. Man kann dies aus Sicht des Handels einmal umgekehren und auf die banale Aussage reduzieren, dass die ja auch am meisten Dreck am Stecken haben. So ging die Initiative für das einzigartige Stipendium auch nicht von einem Völkerkundemuseum aus, sondern mit der Akademie von einem Ort, der sich normalerweise um die Förderung zeitgenössischer Kunst verdient macht.

Groß angelegte Rückführungen kulturell wichtiger Kunstgegenstände gingen in den 1990er Jahren auf Initiative des Handels, nicht der Museen, über die internationale Diplomatenbühne. Versuche, in den undurchsichtigen Dschungel von Ausfuhr und Forschung Licht zu bringen, gehen interessanterweise stark vom Handel aus, der gegenüber den Hütern des musealen Raubgutes unter permanentem Rechtfertigungsdruck steht.

Dieser Druck äußert sich in vielen Facetten. Negierung vorhandener Objekte und ein daraus abgeleiteter Fälschungsvorwurf ist die dümmste und wird von einer sehr speziellen Handvoll Menschen gepflegt. Ein weiterer Block sind Ethnologen, die Objekte außerhalb des Plünderungsfeldzuges akzeptieren, die sich aber, nicht minder heftig, gegenseitig, fast lautlos, mit Dreck bewerfen im Streit, welche Art von Expertise für eine Altersbestimmung anzuwenden sei oder ob man sowieso nur stlistisch bewerten könne.

Das relevanteste Verfahren ist nach meiner Erfahrung die Thermolumineszenz-Prüfung, die von Rückständen des gebrannten Gußkerns exakte Schlüsse auf das Herstellungsdatum zieht. Zunächst lässt sich bei diesem Verfahren sofort und ohne Relativierung sagen, ob der Zustand entweder alt oder neu ist, oder ob nur geologische Ablagerungen gefunden werden können, die eine Bestimmung nicht nach der TL-Methode zulassen. Ist das Objekt alt, können sich zwar aufgrund einer ungünstigen Lagerung im Erdreich leichte Verschiebungen in der Altersangabe ergeben. Dass es so ist, lässt sich jedoch als Unsicherheitsfaktor an den Analysenkurven ablesen. Im Grunde wird diese Analyse von allen anerkannt, aber auch hier gibt es wieder ein paar ganz clevere Schlaumeier, die behaupten man könne ja ganz einfach einen Gußkernrest in das Objekt einbringen. Dies ist zwar ein nahliegender Gedanke, aber es sprechen Gründe gegen eine solche Vorgehensweise. Zu Pulver zerriebene Tonscherben müssten mit einem Bindemittel von innen angebracht werden. Nur mit Wasser gelöst, haftet das Material wie Sand und lässt sich ohne großen Widerstand abbröseln. Also benötigt man Zusatzstoffe. Diese wiederum reagieren bei der TL-Analyse und tauchen als Störfaktor auf. Eine zusätzliche organische oder anorganische Prüfung löst hier bei Bedarf die letzte Unsicherheit. Alle Museen dieser Welt die zu altem Europa, Altamerika und Asien arbeiten, haben Vertrauen in diese Expertise. Nur im Bereich Altes Afrika gibt es ein paar ganz resistente Widerstandsnester die den Anderen die Stimmung versauen.

Völlig abstrus ist die Theorie, man könne mittels einer Strahlenkanone das gewünschte Alter herbeistrahlen. Diese Theorie geistert zwar in der Gegend herum; wo, wer und wie konnte jedoch noch niemand sagen.

Eine andere, durchaus schwierige Methode ist die Legierungsanalyse. die auf Vergleichsangaben beruht. Mehrere von mir durchgearbeitete Analysen mit dem Ergebnis | stilistisch = alt | TL = alt | Legierungsanalyse = neu | sind als neu unglaubwürdig in dem Sinn, dass darin dreimal angenommen wird, die Metallanteile könnten wahrscheinlich so nicht sein. Ergo ist mit dreimal wahrscheinlich das Ergebnis absolut rezent. Auf diesen Vergleichsgrundlagen sind zumindest die Zinkanteile überholt und, ich drücke mich mal vorsichtig aus, mit den Aluminiumanteilen stimmt etwas nicht.

Die ganze westafrikanische Küstengegend ist voller Bauxit. Also taucht es in der Verhüttung auf und ist im Gußkern und im Tonmantel vorhanden. Was ebenso für eine Neudefinierung der Vergleichstabellen spricht, ist ein handwerklicher Umstand. Bei den ganzen chemischen und physikalischen Interpretationen darf dieser Aspekt nicht ausser Acht gelassen werden. Neue Bronzen, hergestellt für den Souvenirmarkt, haben schon seit Jahrzehnten keinen Aluminiumanteil mehr, weil kaum mehr einheimische Erze verwendet werden. Warum sollten also Fälscher bei einer Kopie Aluminium beigeben, wenn überall behauptet wird, der Alu-Anteil wäre eine sichere Aussage für 20. Jahrhundert?



Ähnlich schwierig sind aus handwerklicher Sicht alte Scherben, die, wie auch immer, in ein Objekt eingebracht werden könnten. Ein Fälscher müsste ein riesiges Regal besitzen, in dem er eine Auswahl von TL-geprüften Bruchstücken hat. Diese Scherben müsste er zerreiben und nach stilistischem Feingefühl altersgerecht in eine Figur einbringen. Da er aus der Literatur nur ungenaue Alter herauslesen kann, müsste es sich bei einem Fälscher um eine enorm gut ausgerüstete Person mit noch enormeren Kenntnissen handeln. Abgesehen davon, dass noch immer das Bindemittelproblem für ihn nicht gelöst ist, ist kaum vorstellbar, dass seit Jahrzehnten Fälschungen auf den Markt gelangen sollten, ohne dass jemals eine hieb- und stichfeste Fälscherpersönlichkeit gefasst werden konnte. Darüber hinaus ist für einen erfahrenen Probeentnehmer eine Terrakottaprobe einwandfrei von einer Gußkernprobe unterscheidbar und die Analysekurven sind ebenfalls anders.

Viele der Objekte, die von Museumsexperten bezweifelt werden, sind schon auf dem Markt gelangt, als es weder Legierungs- noch TL-Analysen gab. Es müssten unter Nigerianern also so eine Art Halbgötter herumschweben, die schon vor der Zeit europäische Prüfungsmethoden vorausgesehen haben.

Sie, die gottgleichen Fälscher, müssten noch etwas anderes Besonderes vorausgesehen haben. Nämlich, dass in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts Peter Herrmann eine Ausstellung macht, in der er feststellt, dass die Gedenkköpfe mit Flügelhaube nicht wie angenommen erst in den letzten zweihundert Jahren entstanden, sondern, mit drei Exemplaren belegt, ein Alter bis zu 450 Jahren angenommen werden muss.

Sie müssten auch vorausgesehen haben, dass in derselben Zeit neue Fragen bezüglich der Herkunft der Ife-Bronzen auftauchen und haben in weißer Voraussicht bei Bronzen im Ife-Stil, die aber in Benin gegossen wurden, Manipulationen vorgenommen, die erst jetzt erklären, das es Objekte mit 100, 200, 250 Jahren gab die nicht aus Ausgrabungen in Ife stammen, sondern in Benin ein lichtes Dasein auf einem Hausschrein hatten.



 

Wenn Wandplatten keine Haltelöcher haben, warum sollte ein Fälscher, der ein absolut makelloses Objekt gießt, den stilistischen Fehler machen, keine Löcher anzubringen? An jeder gefälschten Holzmaske werden die Tragelöcher sogar noch mit Schnüren ausgerieben um einen Gebrauch vorzutäuschen und bei einer teuren, arbeitsintensiven Platte sollte der Fälscher ein solch wesentliches Merkmal einfach vergessen? Die Erklärung liegt woanders. Es ist keine Fälschung, sondern die Platte ist alt und wurde nie gebraucht, weil sie als Duplikat in einer Kammer aufbewahrt wurde.

Ich würde dringend einigen Museumsleuten in Deutschland und Österreich raten, ihre zehn Daumen einmal in einer Werkstatt zu gebrauchen und mit einem Sinn fürs Praktische wieder in ihren Bürostuhl zurückzukehren. Wir hätten viel unsinnige Behauptungen weniger.

Ein weiterer Ratschlag ist der, dass die Damen und Herren der Wissenschaftskaste sich vielleicht öfters in den Galerien sehen lassen um wieder den Anschluss an Realität zu bekommen. Es ist kaum anzunehmen, dass dabei eine so heftig gefürchtete korrumpierte Vereinnahmung der Wissenschaft ihren Beginn nimmt, so man es nicht will. Ihrem Anspruch, Kunstobjekte des Alten Afrika als bedeutungsvolle Ausdrucksmittel und Werkzeuge gesellschaftlicher Interaktionen zu sehen, dürfte dies trefflich stehen.

Auch wenn sie diese Zeit vielleicht nicht bezahlt bekommen.

Galeristen würden sich freuen. Nicht wegen des Geldes. Wir wissen, die Museen haben keines. Wegen des Gesprächs. Ganz banal. Wegen gegenseitiger Ergänzung. Vielleicht bekämen die Museen neue Anregungen für Ausstellungen, die wir so sehr vermissen. Dadurch mehr Besucher und Beachtung für ihre wissenschaftliche Ausarbeitungen. Und Eintrittsgeld.

Darüber hinaus möchte ich im Namen einiger Kollegen den Ethnologen aus der Ferne zurufen: "Die Einbindung eines Galeristen als professioneller Ausstellungsgestalter ist keine Korruption sondern man nennt es Auftragsvergabe oder Kooperation".

Aber zuerst mal den Hintern runter von der dominanten Belegung eines afrikanischen Kunstbegriffs und afrikanischer Kunstgeschichte. Und bitte keine chronischen Beleidigungen mehr. Dann sehen wir weiter.

© Peter Herrmann im Februar 2007

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Bronzen in Einzeldarstellungen

Die Ausstellung. Texte, Pressebilder, Übersicht

Artikel von Dorina Hecht, M.A. - Problemstellung und Vergleich - pdf



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