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Galerie Peter Herrmann
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Who Knows Tomorrow - Berlin, vom 4. Juni bis 26. September 2010 - Kritik

Ähnlich einem Blog werden hier sehr subjektive Eindrücke und Hintergründe zu lesen sein. Peter Herrmann beschäftigt sich intensiv mit den Auswirkungen auf der Vermittlungsebene einer solchen Ausstellung. Im Vordergrund stehen Faktoren wie Umgang mit Steuermitteln, Auswirkungen auf die Künstlerszene, belebende Momente auf eine lokale Infrastruktur und nicht zuletzt die stimulierende Wirkung von Kulturpolitik bezogen auf Afrika. (März 2010)

Dem einen oder anderen Leser werden diese Zeilen zu sehr aus der Eigensicht des Galeristen sein und die an einigen Stellen durchdringende Verbitterungen zu persönlich. Mit dem Subjektiven will ich jedoch das Objektive betonen. (Juni 2010)

Zarina Bhimji
Yinka Shonibare
António Ole
Pascale Marthine Tayou
El Anatsui

Pressetext: Fünf international geschätzte Künstler aus Afrika "besetzen" vier Häuser der Staatlichen Museen mit einer Einzelausstellung und verknüpfen die darin beherbergte Sammlung mit ihrer Kunst.

Ort:
Alte Nationalgalerie, Friedrichswerdersche Kirche, Hamburger Bahnhof, Neue Nationalgalerie.

Kuratorin: Dr. Britta Schmitz (Siehe dazu: Ein Ärgernis allererster Güte ist der Verlauf des Afrika-Jahres 2009, das auf Anregung von Herrn Bundespräsident Köhler in Bewegung gebracht werden sollte und dessen Wünsche dabei scheinbar völlig ignoriert wurden...)
Als kuratorisches Gerücht im Gespräch: Chika Okeke-Agulu

Hamburger Bahnhof


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Eintrag 11.3.2010

Ist Herr Okeke-Agulu überhaupt im Boot oder war es nur ein Gerücht.? Im ersten Artikel als Ankündigung in der Märzausgabe der Kunstzeitung 163 auf S. 22 steht noch nichts über ihn geschrieben. Sein Beitrag in der Sache ist sowieso nicht klar. Was soll er kuratieren? Informationen auf der Seite des Hamburger Bahnhofs gibt es noch nicht. Mitarbeiter sind zum Schweigen verpflichtet.

Der Hauptstadtkulturfonds vergibt an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz für die Ausstellung Who Knows Tomorrow, bezeichnet als Afrika-Projekt, gemeinsam an die Bespielstätten Alte Nationalgalerie, Neue Nationalgalerie, Hamburger Bahnhof und Friedrichwerdersche Kirche den Betrag von 180.000 €.

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Eintrag 20.3.2010

Das Gesamtbudget war veranlagt auf € 600.000,- für die ganze Ausstellung. Die drei Künstler die in Afrika aufgewachsen sind, arbeiten auf der Recyclingebene. Yinka Shonibare ist in London geboren und eigentlich Brite. Zarina Bhimji ist aus indien, in Uganda geboren, aber schon als Kleinkind nach London gezogen.

Die ursprünglich geplante Einbindung afrikanischer Künstler und kunstorientierter Gruppierungen ist mangels Kenntnissen nun aufgeweicht in vorwiegend soziokulturelle Initiativen und Vereinigungen guter Menschen: Werkstatt der Kulturen, LoNam, ein afrikanisches Magazin, Afrika Rat, Dachverband afrikanischer Vereine und Initiativen Berlin-Brandenburg, Pro Afrika e.V., Afro TV, AfroBerlin und als tatsächlich mit Kunst arbeitend AfricAvenir International e.V., Toucouleur und Listros e.V.

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Eintrag 29.4.2010

Nun, gewissermaßen auf den letzten Drücker, wird unsere Infrastruktur angegraben um den Anschein einer lokalen Initiative zu erwecken.

Die meisten Künstler mit afrikanischem Hintergrund die schon länger in Berlin leben und auf internationalem Level arbeiten, haben eine Verbindung zu unserer Galerie. Die ersten davon haben nun Nachfragen nach Beteiligungen an Workshops von denen einer reichlich seltsam anmutet und in diesem Blog nach Erwähnung ruft.

Stoffe. Afrikanische Stoffe.

Insider erinnern sich. Bei Afrika Remix in Düsseldorf garnierte Simon Njami und Jean-Hubert Martin die ganze Show mit afrikanischen Stoffen. Über Geländer hängend und an die Wand genagelt, hielten das viele Kritiker für einen völlig bekloppen Einfall. Diesselbe Ausstellung in Paris war dann auch bezeichnender Weise frei von dieser fast schon anmaßenden Deko. Warum man nun im Hamburger Bahnhof diesen glorreich daneben gegangenen Quark workshoptechnisch wieder aus der Schublade holt und es nicht bei den Arbeiten von Yinka Shonibare beläßt, bleibt ein Rätsel. Diese historische Mischung aus indonesischen und holländischen Produktionen, die dem Kontinent den Ruf einbrachten doch ach so bunt zu sein, haben Final mit Kunst nichts zu tun.

Aber vermutlich haben diese chemischen Farborgien mit den angedrohten Kinderveranstaltungen zu tun. Denn siehe, bei Afrika assoziieren doch viele ein kontinental kindliches Gemüt und da liegt es ja nahe für einen lokalen Bezug dieses Dummklischee zu bemühen.

Der geneigte Leser möge sich vorzustellen, dass bei einer Ausstellung mit Neo Rauch, Sigmar Polke und Georg Baselitz begleitend ein Programm mit Kinderworkshops und bayerischen Hosenträgervarianten unter explizter Berücksichtigung des Hirsches stattfinden.

Zurück zu den Inhalten der fünf Künstler. Das Thema, das nun langsam blubbernd an die Oberfläche dringt, hat genau mit dem zu tun, was ich Anfangs riet, explizit zu vermeiden. Die Berliner Konferenz. Bevor ich darauf eingehe möchte ich Ihnen ein paar Details der Ankündigung und den offiziellen Text der Ausstellung vorstellen.

Im Juniprogramm des Hamburger Bahnhofs taucht in der langen Liste der Führungen ein einziger Termin am 4. Juni auf, der zu einem Text der Ausstellung führt. Damit es etwas voluminöser ausfällt, machte man den Link gleich viermal hintereinander. Dann landet man auf diesem sonst nicht aufzufindenden Text, der durchaus ein paar interessante Ansätze enthält:

- Who Knows Tomorrow - diese in Afrika weit verbreitete Lebensweisheit ist titelgebend für ein besonderes Projekt der Nationalgalerie: Sie lädt fünf international anerkannte Künstlerinnen und Künstler, deren Arbeiten durch ihre afrikanischen Herkunft geprägt sind, zu einer Ausstellung nach Berlin ein.
Ihre an vier Standorten der Nationalgalerie (Alte Nationalgalerie: El Anatsui, Neue Nationalgalerie: Pascale Marthine Tayou, Friedrichswerdersche Kirche: Yinka Shonibare MBE, Hamburger Bahnhof: Zarina Bhimji, António Ole) realisierten und größtenteils im Außenbereich installierten Werke laden ein zu einem Dialog über Fragen, die angesichts der gegenwärtigen Umbrüche unerschütterlich geglaubter politischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Systeme aktueller sind denn je: Ist die Unsicherheit der Zukunft die größte Sicherheit, die wir heutzutage haben? Welche und wessen Geschichte gilt es heute zu erzählen und zu verhandeln? Welchen Beitrag leistet die Kunst, um (kunst-) historische Konstrukte, Klischees und Stereotype zu überwinden?

Who Knows Tomorrow rückt von der weit verbreiteten Praxis ab, Künstler in Gruppenausstellungen als Repräsentanten eines Kontinents vorzustellen. Vielmehr reflektieren und interpretieren die eingeladenen Künstler individuell im Kontext von vier Repräsentationsbauten der Nationalgalerie, die Spiegel deutscher Identitätsfindung sind, unsere Geschichte und stellen ihre Sicht auf unsere Kultur dar. Ihre Werke zeigen historische Verbindungen und Wechselbeziehungen zwischen Afrika und Europa auf und thematisieren Aspekte der Identitätsfindung und Globalisierung, die immer wieder eine aktuelle Brisanz erfahren. So ist beispielsweise die Geschichte der Kolonisation Afrikas eng mit der Situation der Reichshauptstadt Berlin im 19. Jahrhundert verknüpft. Während sich die Frage der nationalen Zugehörigkeit, die in Europa zu dieser Zeit höchst virulent war, im kolonialisierten Afrika kaum stellte, verschiebt sie sich gegenwärtig.

Die im Rahmen der Ausstellung Who Knows Tomorrow agierenden Künstler legen oftmals vergessene, übersehene und gegenwärtig neu entstehende Vernetzungen zwischen Afrika und Europa offen. Ihre Werke, die von interkulturellen Fusionen zeugen, in denen Überlappung und Verschmelzung zum konzeptuellen Stilmittel, zur Methode geworden sind, erschöpfen sich somit keineswegs in der Reflexion ihrer Ästhetikgeschichte. Vielmehr analysieren sie auch die Sozialgeschichte der Kunst in einem Epochen und Kulturen übergreifenden Kontext. Indem sie zur Gedächtnisrettung aufrufen und Diversität zum Prinzip erheben, fordern sie uns, ihr Publikum im westlichen Teil der Welt, zur kritischen Selbstreflexion und Neuordnung der Dinge heraus.

Der 4. Juni übrigens könnte der Termin zur Eröffnung sein. In der Ankündigung der Ausstellungen des Hamburger Bahnhofs taucht Who knows tomorrow mit heutigem Datum immer noch nicht auf.

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Eintrag 11.5.2010

Nun ist es soweit. Das Ganze beginnt, spät aber doch, offiziell zu werden. Über die ersten Verteiler geht ein Eröffnungstermin raus und vor allen Dingen werden nun, am 11.5., Kuratoren benannt. Die Eröffnung ist am 3. Juni. Wir können von Glück reden, dass unsere eigene Ausstellung "Essen" in der Galerie am Freitag stattfindet. Da wir für diesen Termin nie den Kalender abgleichen konnten um eine Überschneidung zu vermeiden, hatte es schon etwas spannendes.

Doch zur wichtigen Botschaft der Öffentlichkeitsarbeit. Fünf Künstler die zu Inhalten Stellung beziehen, zu denen vier nach meinen Recherchen und nach meinem Wissensstand noch nicht gearbeitet haben, werden von drei Kuratoren begleitet. Das Ganze hört sich nach einem schlechten Witz an.

Udo Kittelmann
Direktor der Nationalgalerie - Staatliche Museen zu Berlin
Chika Okeke-Agulu
Princeton University, USA
Britta Schmitz
Nationalgalerie - Staatliche Museen zu Berlin

Warum wurde diese Schau nun plötzlich zur Chefsache erklärt und Herr Kittelmann taucht nun auch auf? Was hat er mit Afrika zu tun? Was mit bunten Stoffen? Ist er ein Spezialist der Berliner Konferenz?

Von Herr Chika Okeke-Agulu wissen wir nun, dass er zuerst mal drin war im Konzept, dann zu Gunsten von Herrn Njami nicht mehr, und nun, Mitte Mai, doch offiziell wieder auftaucht.

Inmitten dieses Name-Dropping-Reigens macht sich Frau Schmitz ganz besonders wichtig aus. Bin ich mal gespannt, wie sie mit der Berliner Konferenz in der Kirche umgeht. Hat sie schon Zeit gefunden, ein wenig darüber zu lesen? Kommt auch die Behandlung der Kolonialzeit und die Sklaverei zum Zug? Werden noch andere gängig Betroffenheitsthemen angeschnitten?

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Eintrag 4.6.2010

Ich las einmal, dass diejenigen Architekten heutzutage einen Preis gewinnen würden, die den größten, nicht nutzbaren Raum umbauen.

Nachdem in der mangelhaft besuchten Eröffnung in der Neuen Nationalgalerie die Redner angestrengt versuchten, durch ihre dünnbrühigen Beiträge eine Festanstellung beim "Wort zum Sonntag" als Priester zu bekommen, hörte ich ein wenig auf das Publikum.

Tayou's Fähnlein im Wind und seine Buddy-Bären-Colon-Figuren wollte nun gar niemanden beeindrucken. Das taten sie wahrscheinlich schon im Vorfeld nicht, mussten deshalb außen vor bleiben und durften gar nicht in die neue Nationalgalerie hinein. Wie überhaupt die ganze Veranstaltung den Eindruck macht, als wäre sie irgendwie angeklebt. Shonibare verschwindet immerhin noch innerhalb der Kirche. Bimji machte ein Filmlein. Ole stapelt Container außerhalb des Hamburger Bahnhofs und bei El Anatsui entschuldigten sich schon alle Redner, da seine Arbeit unter dem nationalen Spruch der alten Nationalgalerie "Der Deutschen Kunst" hing. Dies ging nun auf eine Art und Weise gar seltsam zusammen mit dem Leitthema Berliner Konferenz. Auch wieder aussen.

Ringt man sich durch, dass vier Arbeiten für sich selbst stehend und ausserhalb des Austellungsanspruchs durchaus interessant sind, bekommt man den nächsten Dämpfer bei der ganz und gar bekloppten Zeitung zum ganzen Event. Auch hier wieder: ein aufgeblasenes Monstrum, das für viel Geld die Informationen eines kleinen Handbüchleins in sich trägt und als nicht nutzbarer Raum gesehen werden kann. Schön war aber, dass bei einem solchen Eröffnungsanlass viele Freunde und Bekannte zu sehen waren und man sich auch mit den Caterern von Zagreus gut verstand, gehören sie doch, wie vieles Andere in dieser Show, zu der Infrastruktur meiner Galerie.

Jetzt kann ich aber nichts mehr schreiben, weil ich heute abend eine Eröffnung habe und aufbauen muss. 2 Filmlein wollen untergebracht werden und viele andere Arbeiten müssen auf kleinem Raum zur Geltung gebracht werden. Kommen Sie später wieder auf diese Seite. Wenn ich mehr Muse hatte und alle fünf Arbeiten der Ausstellung "Who Knows Tomorrow" besucht habe. Dann wollen wir uns mal herzhaft über die Oberflächlichkeit des Betroffenheitsthemas amüsieren.

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Eintrag 5.6.2010

Nein. Zum humorigen Veräppeln fehlt mir die Laune. Je mehr ich mich diesem Projekt widme, kommt Galle in mir hoch. Diese ganze riesige Schau entpuppt sich als ein Abarbeiten an Preussens Glanz und Gloria mit Vermischung zur Betroffenheit an der eigenen kolonialen Vergangenheit. Als persönlicher Aspekt wird nun klar, warum man auf eine Kooperation mit mir verzichtete. Schon im Vorfeld der Planung betonte ich, genau diesen Aspekt nicht zu thematisieren. Mein Augenmerk war auf Gegenwart gerichtet. Nicht im Sinne einer Instrumentalisierung zeitgenössischer Künstler, sondern auf eine thematische Gegenwart.

Zwangsläufig rutschen die ans Konzept angeklebten Künstler an einer Oberfläche herum, die zwischen Effekthascherei und Andeutungen pendelt. Die "Berliner Afrika Konferenz" ist Gegenstand schulischer Ausbildung und jedem potenziellen Museumsbesucher bekannt. Mit farbenfrohen Flaggen, rechtzeitig zur Fußball-WM, einem Bildungsbürgertum zu pädagogisieren der Kontinent bestehe aus vielen Ländern, ist doch eher dürftig. Shonibares kopflose Figuren, in anderem Kontext eindrucksvoll funktionabel, entwickeln an seinem Tisch eine seltsam falsche Botschaft. Das suggerieren von Kopf- und somit Planlosigkeit trifft nicht den Kern der Berliner Konferenz. Die dort beteiligten Herren waren äußerst hirnlastig und hatten viel im Sinn und damit im Kopf. Die Gefährlichkeit politischer Entscheidungsträger wird hier angedeuted, aber in eine falsche Assoziationsrichtung gelenkt, die sich mit der Einseitigkeit der deutschen Betroffenheitskultur in Deckung bringt. So kann es gehen, wenn man eine Arbeit nimmt, die schon gemacht war und sie in ein Thema hieft.

Es findet genau Das statt, vor dem ich gewarnt hatte. Mit dem Betroffenheitsblick nach hinten geschaut und damit weg von der schwierigen Gegenwart. Deutschland spielt eine unsägliche Rolle in Bezug auf Afrika, wenn wir von wirtschaftlichen Interventionen, militärischen Strategien und damit verbundenen Interessen reden. Warum wird nicht reflektiert, was Deutschland heute in Afrika anstellt? Weil man ganz schnell merkt, dass die Interessen heute noch ungleich größer sind als zu Wilhelms Zeiten. Ich wage mal die unrecherchierte Behauptung, Waffenverkäufe nach Afrika sind heute um ein vielfaches höher als zu Kolonialzeiten und eine militärische Präsenz beginnt sichtbar zu wachsen. Glauben wir, weil die Herren von damals, ob mit oder ohne Kopf, ihre Entscheidungen nach Art der blühenden Ingenieurskunst auf dem Reißbrett mit dem Lineal machten, hätten wir heute im Zeitalter der Neuen Medien keine anderen Erscheinungsformen der Vereinnahmung mehr?

Heute könnten die Schlagworte Mathematik und Logistik heissen und dabei spielen Landkarten aus dem Erdkundeunterricht fast keine Rolle mehr. Andrerseits funktionieren dle Regularien für Teilnahme an internationel Gremien auf der Basis von nationalen Hoheiten. Das Recht wird in diesen Teilnehmerländern nach unsereren Vorgaben gesprochen. Zollbestimmungen von uns vorgegeben und nebenbei auch Anzug und Krawatte, mit dem der Afrikaner, jetzt auf "Augenhöhe", von UNO und IWF in Gremien hinein finanziert wird.

Ich muss dringend mal wieder Fela's ITT anhören.

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Eintrag 6.6.2010

Und nun das Buch zur ganzen Angelegenheit. Oh weh.

Natürlich schlage ich als einer der ersten Essay's, wie die teilweise sehr dürftigen Geschreibsel genannt werden, die Marktbetrachtung von Anna Bedford auf. Wenn man es dürfte, gehörten dieser Dame ein Paar ordentlich hinter die Löffel. Sie schwabuliert kräftig in der Auktionswelt herum und nennt ein paar der wichtigen Auktionsergebnisse. Was sie nicht weiss, dass viele Arbeiten ihrer Nennung von mir waren. Dann kommt sie noch ganz kurz auf Galerien zu sprechen und nennt zwei südafrikanische Galerien, von denen eine so schöne Bücher herausbringen würde.

Hat die haptische Dame nichts mit Internet am Hut? Es war die Galerie Peter Herrmann, die 1995 mit der Ausstellung Around & Around als erste Galerie in Deutschland im Netz auftrat. Nebenbei war es weltweit der erste Beitrag zu Kunst aus Afrika im Netz. Seitdem sind ein paar Millionen Besucher auf meinen Seiten zu Besuch gewesen und viele meiner veröffentlichten Beiträge wurden zu Studieninhalten und Recherchen weltweit. Was meint Bedford mit den Büchern ihres Freundes? Dies ein Grund, ihn zu nennen und mich nicht? In einer Veröffentlichung vor meiner Haustüre?

Da diese Dame, wohl auch mangels Deutschkenntnissen, diese Zeilen nicht lesen wird, möchte ich einen geneigten Lesser bitten, ihr eine paar Fragen zu stellen: Wer hat über mindestens zehn Jahre die Preise von Chéri Samba bestimmt? Was war seine erste wichtige Ausstellung und in welcher Galerie war Pascale Marthine Tayou zuerst vertreten? Wer hat Owusu-Ankomah, den sie auf ihrer Seite abbildet, an den Markt gebracht und über Jahre seine internationale Reputation vorbereitet? Wer hat Sokari Douglas Camp, als erste Künstlerin aus Afrika in Deutschland, in ein Kunst-Am-Bau-Projekt der Deutschen Welle und in große Ausstellungen gebracht? Welche Galerie weltweit hat mehr beteiligte Künstler an Documenta, Africa Remix und anderen Großausstellungen als die Galerie Peter Herrmann?

Sagen sie der werten Dame bitte auch noch, dass ich sie wegen dieses Affronts nicht bei mir in meiner Galerie sehen möchte. Jetzt bin ich beleidigt.

Es gibt noch andere Gründe, warum man dieses Buch nicht wirklich braucht, ausser als zwangsläufige Fachliteratur für Branchenvertreter. Von vorne bis hinten ein Auswälzen von allen denkbaren Dumpfstereotyen die es über Afrika gibt. Immer mit dem Hinweis, es wären die verwerflichen Stereotypen der Anderen. Es dreht sich auch wenig um Kunst. Sondern um Afrika. Kriege, Katastrophen, Verschuldung, Rassismus, der gute Mensch Schlingensief, ein wenig Film, ein wenig Architektur. Ausstellungen der letzten Jahrzehnte die mit Afrika zu tun hatten werden lückenhaft aufgezählt, aber konsequent nur diejenigen, die von Kulturbeamten gemacht wurden. Noch der größte Bockmist wird dabei mit Namen des Bockmisturhebers genannt. Dann kommt ein Märchen, ein Artikel über Bürgerkrieg, einer über Rasse und Kolonialismus, dann nochmal was über Grenzen und Rassismus.

Wie oft habe ich schon in Artikeln lamentiert, dass der Tick der andauernden Wiederholung, dass man Afrika nicht als Katastrophen- und Kriegskontinent sehen soll und dass alle seine Bewohner nicht als unterdückt und versklavt anzusehen seien, einfach aufhören soll. Es werden Meinungen, die eine imaginäre europäische Bevölkerung als Unterstellung haben soll, permanent genannt und gerade dadurch festbetoniert.

Von Kunst steht übrigens nicht so arg viel in dem Wälzer drin der nur deshalb so dick ist, weil man Deutsch und Englisch zusammenpackte. Arg viel bleibt nach einer Halbierung nicht mehr übrig, was es von einer Ausgabe der Lettre International unterscheidet.

Das Buch ist in seinem Charakter die Wiederholung einer verlogenen Doppelmoral der Betroffenheitskultur, die sich moralinsauer durch das ganze Machwerk zieht. Diese verlogene Moral ist es übrigens, die immer mehr Geschäftsleute aus Afrika lieber mit Chinesen Geschäfte machen läßt. Deutsches Geld, in vielen Fällen mit leicht durchschaubarem korruptem Hintergrund, aber mit wichtigem moralischem Fingergewackel verbunden, ist auf die Dauer zu anstrengend. So wie auch dieses Buch sehr anstrengend ist. Schade um die paar guten Artikel, die, ähnlich den Kunstwerken, so seltsam unpassend im Kontext zischenreingeschoben wirken, oder davorgestellt, oder hinten rein versteckt.

Vermisst habe ich in dem Buch dennoch etwas. Wenn von der Kolonialzeit die Rede ist, spielt das Berliner Stadtschloss eine nicht unerhebliche Rolle. Als Disneylandversion hätte es eigentlich wieder aufgebaut werden sollen und dann ausgerechnet eine Herberge für außereuropäische Kunst werden sollen. Ein paradoxer Gedanke.

Dort, wo die koloniale Vergangenheit einen neuzeitlichen Bezug zu Berlin hat, wird aber geschwiegen. Erinnern sich ein paar Leser an meine Ausführungen über die Beamtenseilschaft, die uns dieses Projekt mit jetzigem Namen "Who knows Tomorrow" abspenstig machte und daraus Etwas zummenmurkste, was wir explizit nicht wollten? Sie konnten auch nicht wissen was morgen geschieht. Dahin der Traum von Herr Dr. Junge, derjenige zu sein, der die Sammlung alter Kunst aus Afrika von Dahlem ins Humboldt-Forum tragen wird, verschwunden die Ambitionen von Herr Dr. Scherer von Haus der Kulturen der Welt, dem man nachsagte er wäre derjenige welcher das neue Ethno-Sun-City leiten würde. Frau Dr. Schmitz, schon jetzt von Herrn Kittelmann in die zweite Reihe gedrückt, wird nach dieser Ausstellung ganz verschwinden. Und was bleibt?

Eine Liegewiese! Baubeginn der feudalen Attrappe auf unbestimmt verschoben. Dahin gegangen die Beamtenperspektiven in den Orkus der schwarzgelben Sparmaßmahmen.

Ich beginne Berlin zu mögen. Auch hier begegnet man sich zweimal.

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Eintrag 11.6.2010

"Eigentlich hast du schon recht. Es muß ja auch mal gesagt werden. Aber du schreibst immer so polemisierend".

Wie schreibt man denn eigentlich? Wie die Wissenschaftler? Auf jedes kleine Zitat ein Urheberverweis? Mit vielen Fußnoten? Oder political correct?

Am ehrlichsten pflegt man seinen eigenen Duktus und der ist in meinem Fall stilistisch beeinflußt von Dichtern, Kabarettisten und Philosophen und weniger von Rechtsanwälten. Strategisch muß man schon achtgeben in unserer kommenden modernen Juristen- und Beamtendiktatur und vieles Bissiges habe ich mir denn auch erspart, aber François Villon schwebt trotzdem über diesen Zeilen.

Was aber soll man machen, wenn der Zorn über maßlose Verschwendung von Steuergeldern wieder über einen kommt und man selbst ausgequetscht wird wie eine Zitrone. Über einen inhaltlichen Schwachsinn, der mittels ganzseitigen Anzeigen in Kunstzeitungen nicht besser wird. Über ein Programm, das so hyperdämlich einherkommt, dass man gar nicht weiss wohin mit seinen gefühlsmäßigen Anwandlungen. Dann drängt es aus einem heraus in Bild und Wort.

An dieser Stelle deshalb zwei Fragen an meine Kritiker. Hand aufs Herz. Wer schreibt denn seit 15 Jahren Kulturkritisches zu Afrika im deutschsprachigen Raum und hat damit schon viel in Bewegung gesetzt? Daran anknüpfend: Wer noch?

Fast alle reden von Einskommazweimillionen. 1.200.000,- Eurothaler soll der erhabene Ausstellungsschwachsinn kosten sind sich Viele einig. Woher diese Summe kommt, weiss ich nicht. ich hörte auch schon 800.000,- Für fünf aufgeblasene Arbeiten und ein paar Artikel ein teures Vergnügen. Selbst für Selbstfindungskurse im Programm der Ausstellung in denen im Rollenverhalten ausprobiert werden darf, wie man sich als böser Weisser zu fühlen hat, muss man noch bezahlen. Kinderkurse gegen Rassismus, Lehrerfortbildung, Kurse wie man mit seinem Rad spazieren geht, Radspaziergang genannt, füllen die Ankündigungen. Exkurse für die Umbenennung von "diskriminierenden" Straßennamen, weil Togostraße unsere armen afrikanischen Mitbewohnern, die komischerweise gerade dorthin ziehen, so traumatisch an die schreckliche Kolonialzeit erinnern.

Wedding wird schon aufschneiderisch als "Der schwarze Kiez" gehipt und einen Stammtisch hat man sich auch schon eingerichtet. Einen Familienworkshop über Recycling gibt es und "Begegnungen" sind schwerlastig als zeilenfüllender Programmpunkt angekündigt.

Aber halt!!! Ein "künstlerischer" Workshop taucht in dem ganzen Geschwurbel doch noch auf. Sie, lieber Leser, dürfen sich aber darauf verlassen, dass selbst dieser "künstlerische" Workshop noch von Sozialarbeitern iniziiert wurde. Es gibt unbegleitete jugendliche Flüchtlinge darin. Drei an der Zahl, und die werden "künstlerisch" begleitet von vier "Leitungsmitglieder". Es sollen Zusammenhänge zwischen der Berliner Kongo-Konferenz 1884/85 und aktuellen Flucht- und Migrationsbewegungen anhand von Recherchen transparent gemacht werden. Super. Oder? Sie dürfen lernen, wie wir alle schuldig sind. Noch heute hat der Tod von einem Bootsflüchtling mit dem bösen kolonialen Treiben von irgenjemandens Urgroßvater zu tun. Eintritt ist in diesem Fall frei.

Tja. Das wars auch schon mit dem Programm. "Radspaziergang" macht die Hälfte der Ankündigungen über vier Monate aus und der Rest ist Betroffenheitskultur pur. Mit Kunst hat das alles wenig zu tun.

Viel werden Sie von mir nun hier nicht mehr lesen. Was soll auch noch groß kommen? Ein paar hundert Leser hat diese Seite und laut Statistik sind zwei Drittel davon aus Berlin. Über die Stadtgrenzen hinaus hat diese Ausstellung, trotz exorbitanter Werbekosten, die ich im Detail mal gerne erfahren würde, keine wirklichen Resonanzen. Eines wissen wir aber sicher. Egal wie groß der Bockmist, - im nächsten Buch eines Kulturbeamten wird Sie-Er sich ganz heftig an diese große Ausstellung erinnern, die Namen der Verantwortlichen mit Doktortitel genau in Anhang, Fußnote und Verweis anführen und sich mit irgendetwas darauf beziehen.

Oder sollen wir, der Souverän, das ganze Personal vorher mal entlassen und neu besetzen?


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  Berliner Zeitung - 3. Juni 2010 - Buddybären mit Kontextbrimborium

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