Kolumnen
Galerie Peter Herrmann

Kolumne.

8.10.2001

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

es war doch höchst interessant, einmal hinter die Kulissen der Ausstellung The Short Century zu schauen und schriftlich zu thematisieren. Die Ausführungen, was davon ableitend für die kommende Documenta zu erwarten ist, stießen auf rege Anteilnahme. Ich bekam mehrere Reaktionen, die alle eines gemeinsam hatten, es waren Verisse an den Inhalten von Okwui Enwezor.

Es entstand letztlich der massive Eindruck, niemand formulierte eine ernste Kritik, weil alle im Prinzip froh waren, dass endlich eine vermeintliche eurozentristische Bastion ins Wanken komme. Doch weit gefehlt. Der Herr aus der Nigeria Connection ist Amerikaner. Durch und durch.

Seine Ausstellung "The Short Century" gilt in allen Fachbereichen als ein wahllos zusammengewürfeltes Archivmaterial bei dem er nebenbei auch noch Urheberrechte verletzte. Damit die Oberflächlichkeit nicht so schnell bemerkt wird, spart man sich auch noch die Übersetzung des Katalogs. Von angekündigtem politischem Anspruch keine Spur. Hohle Phrasen um ausgelutschte Themen wie Freiheit von den Kolonisatoren und selbst dies in weiten Teilen sehr undifferenziert. Auch meine hier ansässigen afrikanischen Freunde gähnten.

Lesen sie einmal den Mumpitz um Algerien. Den heroisierenden Quark um Lumumba. Alles abgeschmackte Reizthemen, die mit psychologisierender Wirkung zusammengestellt sind wie Kaufhausmusik. MacDonaldisierung der Geschichte und der Kunst.

Das Vorgehen bei The Short Century ebenso wie bei der Documenta ist so einfach wie widerwärtig. Deutsche Institutionen werden als sprudelnde Geldquelle ins Konzept eingebunden, ansonsten alle anderen Kenner sorgsam und mit Kalkül abgetrennt. Alle Namen der Teilnehmer der kommenden Documenta geheimgehalten so dass im Vorfeld nichts an Kritik entstehen kann. Dafür sogenannte Plattformen aufgebaut, die plötzlich mehr an eine PR-Maßnahme erinnern als an einen vollmundig angekündigten Dialog der Kulturen.

Ähnlich der von Enwezor geleiteten Johannesburg-Biennale, deren Kapital schon aufgebraucht war, bevor sie sie zu Ende war und einen Monat vorher geschlossen werden mußte. Das Geld hatte aber gereicht, eine "Freibiermaßnahme" für Journalisten aus aller Welt zu inszenieren, die den Ruf des Herrn Enwezor mehren und vergrößern sollten.

Die Documenta-Plattformen gehen also in die Welt. Herr Enwezor reist logierend in den Adlons der Metropolen mit Gefolge nach und auf dem Podium selbst wird die Gaunersprache (*) der kunsthistorischen Intellektuellen zelebriert.

Eigentlich wußte doch niemand so richtig, was das für ein Ding in Wien war. Ein paar Anrufe nach Nigeria haben ergeben, daß dortige Künstler auch keinen blassen Schimmer davon haben, was die Station in Lagos bezwecken soll. Sie haben eigentlich auch noch nichts Genaues mitbekommen, geschweige denn sind sie eingeladen.

Ich vermute, diese Stationen sollen Globalität vorgaukeln, damit man jetzt endgültig nicht merkt, daß Euro-zentristik nun schlicht zu Dollar-zentristik mutiert. Klammern Sie an den Themen von Enwezor die traurigen Versuche der Annäherung an nichtenglischsprachige Inhalte aus und sie bekommen die Achse New York - Alibi Johannesburg - London. C'est tout, Hombre.

Sie dürften sich spätestens an dieser Stelle fragen, warum ich so leidenschaftlich etwas kritisiere, was bei vordergründiger Betrachtung von Vorteil für mich sein müsste. Ist es eben nicht. Die von amerikanischen Geldinteressen aufgebauten Sympathieträger mit afrikanischem Namen bewirken gerade nicht, dass afrikanische Künstler inclusive deren Themen hier in Deutschland in den Focus geraten. Wie auch. Ohne Namen. Bis die bei Beginn der Documenta offengelegt werden, sind intern schon die Geschäfte verteilt. Wetten, von New York aus ?!

Wenn wir nicht massiv intervenieren wird die Situation folgendermassen aussehen. Kein Afrikaner der in Deutschland lebt wird dabei sein. Keine Galerie die in Deutschland arbeitet wird einen Vorteil haben, geschweige denn eingebunden. Kaum eine in einer deutschen Galerie vertretene afrikanische Künstlerin oder Künstler wird dabei sein. Als Ausnahme vielleicht Pascale Marthine Tayou. Vielleicht. Doch dieses sehr vage "Vielleicht" bewirkt bis dato kommerziell nichts und gar nichts.

Nichts heißt nichts. Weiterhin keine einzige öffentliche Sammlung in Deutschland, die eine Arbeit eines afrikanischen Künstlers der "nach 89er Generation" ankauft. Weiterhin kein bedeutender Sammler, der sich interessiert. Die Vorgehensweise von Herr Enwezor ist so langweilig wie undurchsichtig. In der Kunstwelt in Deutschland ist deshalb immer noch unverändert folgende Situation: Inhalte kennt man nicht, Strömungen kennt man nicht, Individuen kennt man nicht.

Als Enwezor kurz nach seiner Ernennung sinnvollerweise betonte, die Documenta wird keine afrikanische Documenta, hatte ich absolutes Verständnis. Dass seine Verdunkelungen jedoch dazu führen, dass ein allgemeines Interesse ausgerechnet in diesem Segment abnimmt statt zunimmt, hätte ich mir nicht erträumen lassen. Der Satz, Kontinente seien ihm egal, hat, so schlüssig die Aussage in Passung zu seinem kuratorischen Inhalt auch ist, leider und wieder ausgerechnet viele Afrikaner erwischt, die durch das allgemeine Wahrnehmungsraster fallen.

Nein, der vielgelobte Afro-Amerikaner lieferte noch keinen nennenswerten Beitrag zur Erhellung. Geist, Inhalt, Aufbau von Beziehungen, aktuelle Themensetzungen, kuratorisches Ein mal Eins und schlichte Akte der Höflichkeit sind für ihn offensichtlich keine relevanten Faktoren.

So sehr ich mich freute, dass sich Herr Enwezor ein paar Minuten Zeit nahm, meine Galerie zu besuchen um Arbeiten von Tayou anzusehen, so ärgerlich ist es, dass dies keinerlei Auswirkungen hat. Antworten auf meine Fragen gab es auch nicht. dafür ein vielsagend süffisantes Lächeln mit Verweis auf Juni 2002.

Den Institutionalisten und Kulturfunktionären und -innen, auch nigerianischer Herkunft, muss immer wieder klar gemacht werden, dass die mit stark idealistischer Prägung arbeitenden freien Kunstbildenden und ihre Galeristen im harten Tagesgeschäft einfach nicht die Zeit für permanente Präsenz haben. Wir müssen jede Reise, jeden Transport, jede Stunde für Arbeitskräfte aus eigener Tasche bezahlen - und nebenbei das Steuergeld erwirtschaften, mit denen auch Herr Enwezors blühende Karriere finanziert wird.

Es wird wohl Zeit für den Versuch, den Damen und Herren um Herr Enwezor herum und natürlich ihm selbst ein bisschen Feuer unter dem Hintern zu machen. Ein paar Themen und Künstler kriegen wir noch unter.

Wetten?

(*) schön nachzulesen bei Helmut Eisendle. Damit ich auch mal jemand zitieren darf, den niemand kennt.

10.10.2001

Kolumne, zweiter Teil

kaum steht mein kleiner Seitenhieb auf die Plattform in Wien im Netz, von der ich nur über Pressekritiken Bescheid wußte, hatte ich gestern das zweifelhafte Glück, den Anfang der Berliner Plattform mit zu erleben.

Der Leiter des Hauses der Kulturen begrüßt die Teilnehmer und lobt sie.

Herr Okwui Enwezor begrüßt in geschulter englischer Rhetorik die Teilnehmer und lobt sie.

Ein kleiner Herr, den man kennen müßte, erzählt in geschulter englischer Rhetorik, er kennt die Teilnehmer. Und lobt sie.

Auch bedanken sich alle brav bei wichtigen Personen aus hiesigen geldgebenden Institutionen.

Dann kommt der Star des Abends, von dem man sagt, er habe nicht selbst kommen können, weil er bedingt durch die tragischen Vorkommnisse des 11. September sein Flugzeug aus Boston nicht habe betreten können. Also Konferenzschaltung per Grossbeamer an die Leinwand.

In geschulter englischer Rhetorik, auch er erinnert von der Besetzung ein wenig an eine Casting-Agentur, eröffnet er mit einem Witzlein auf sein weisses Hemd. Ein gut-gütiger Professor aus Amerika, wie man ihn sich vorzustellen hat. Auch sein Zeigefinger ermahnt aufs pädagogischste. Wie seine Vorredner, hat auch er einen wohlklingenden globalen Namen.

22 Seiten DIN-A 4 in 10er Schrift lang ist sein Vortrag, den er zwischendrin durch Improvisationen noch verlängert, was das parallele Mitlesen in englischer Sprache enorm erschwerte. Die Grenzen der Wahrnehmung verloren schon viele während des Vortrags und gingen. Apart klang blechern die Stimme der Simultanübersetzerin aus den Ohrstöpseln der fünf Plätze weiter weg sitzenden Zuhörer.

Trotz hoher Konzentration kam ich nicht so recht darauf, was er denn meine. Die Erkenntnis, dass die schwarz-weiss Propagandarhetorik der amerikanischen Politiker und ihrer Werbeagenturen beleidigend einfältig ist, wussten wir schon lange. Später erfuhr ich, der Vortrag sei auch eine Utopie.

Es ging um Recht und Demokratie und ein klitzekleines bißchen um Migrationen, wohldosiert die gewohnte kleine Portion individuelles Leiden als Glutamat eingebaut. Viele Personen, die nach Meinung des Professors wichtig seien, wurden im Vortrag zitiert. Gar ein Poet herbeigeholt.

Auf den letzten zwei Seiten wollte des Professors Mikrophon nicht mehr so richtig.

Dann kam ein deutscher Professor, keine geschulte englische Rhetorik, dünne, sehr verklemmte Stimme und erzählte, wie besonders der zweite einstürzende Turm so tragisch eindrucksvoll war und dass dies viel, vielviel schlimmer gewesen sei wie der erste.

Der kleine Herr, den man kennen müsste, bestätigte dies und fügte in geschulter englischer Rhetorik hinzu, dass es sogar noch schlimmer war.

Der Herr Professor im Beamer bestätigte nun seinerseits auch wie schlimm es war und relativierte noch ein wenig am ersten Turm. Er erweiterterte das geistreiche Spektrum mit dem diskursiven Ansatz, ob nun alles so sei wie es war oder ob alles nicht mehr so sei wie es war.

Gemeinsam bestätigten sich die globalen Herren mit der geschulten englischen Rhetorik, dass wir es in Zukunft mit einer Flut der Bilder zu tun hätten und bekommen würden. Diese Erkenntnisse erweiterten mein Wissen ungemein. Störend nur der deutsche Professor, der mit verklemmter Fistelstimme partout nicht von seinem zweiten Turm lassen wollte und unter Hinzuziehung von Kant's Namen und, war's Wittgenstein, nee Moment, ein anderer, immer wieder darauf zu sprechen kam. Derweil sich Herr Enwezor in nickendem Schweigen übte.

Als sich der Herr Professor im Beamer dazu verstieg, die zwei Türme, (- Sie wissen, die von dem tragischen, verabscheuungswürdigen, die Welt verändernden Ereigniss des 11. September) als die Wahrzeichen der Demokratie zu bezeichnen, war die Grenze meiner Aufnahmefähigkeit erreicht und wie viele Andere machte ich mich vorzeitig auf den Nachhauseweg.

Durch den Park zu Fuß gehend, hoffte ich zunächst, nicht in eine wilde Hatz der Hundertschaften zu geraten, die vor der Residenz Bellevue des Bundespräsidenten auf Terroristen lauerten. Danach hatte ich Zeit, mir die Kosten des erhellenden Spektakels vor mein geistiges Auge zu führen. 200.000 Mark, so grob geschätzt.

Derweil:

...keine einzige öffentliche Sammlung in Deutschland, die eine Arbeit eines afrikanischen Künstlers der "nach 89er Generation" ankauft. Weiterhin kein bedeutender Sammler, der sich interessiert. Die Vorgehensweise von Herr Enwezor ist so langweilig wie durchsichtig........

Ich kann es drehen und wenden wie ich möchte. Mir dünkt, als werde ich verschaukelt.

Lassen sie es mich die Veranstaltung abschließend ein wenig anders noch einmal beschreiben. Ungefähr so: Sie sitzen in einem Fünf-Sterne-Restaurant. Amuse-Gueuel gibts heute nicht. Die Vorspeise wird von fünf wichtig gekleideten Herr Obern auf einem Tablett in würdevollem Gang gebracht und besteht aus einer etwas glibberigen Masse. Ein Wackel-Fou-Fou mit Zucker-Curry. Der Hauptgang besticht dann in Nuancierungen und Sie beginnen sich wieder langsam mit der Haute Cuisine zu versöhnen. Wäre da nur nicht dieser schon vorgekaute Kaugummi am Tellerrand und das Geräusch eines fingernägelknabbernden Servanten. Das Dessert dann eine Créme du Fruchtzwerge , tres Original au Manteau de Plastique, den Alu-Deckel halb geöffnet avec une Prise de Gülle-Poudre. Mit Silberlöffel.

Na wartet !

Es grüsst Sie - Peter Herrmann

 

Der INFORMATIONSDIENST KUNST bezog sich auf meine vorige Kolumne

 

Lesen Sie zum aktuellen Thema Amerika-Afghanistan:

Ein Artikel aus der FAZ vom 28.09.2001 von Arundhati Roy. Zur Erinnerung, wer sie züchtete, die Husseins, bin Ladens und Kabilas. Unabhängig davon, was wir von dem neuen Krieg halten.

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