Die Welt . 14. August 2001

200 Jahre Metallarbeiten aus Afrika - Von Oliver Heilwagen

Presseseite der Galerie Peter Herrmann





Geheimnisse des schwarzen Kontinents

Hier zu Lande sind die Objekte so gut wie unbekannt: "200 Jahre Metallarbeiten aus Afrika"

Von Oliver Heilwagen

Alles schon gesehen? Weit gefehlt: Es gibt noch riesige weiße Flecken auf der Landkarte des Kunstbetriebs. Zum Beispiel Afrika: Lange Jahre wurde die Kunstproduktion des schwarzen Kontinents ignoriert. Allein diejenigen Objekte wurden als authentisch akzeptiert, die vor der Ankunft der weißen Kolonialherren entstanden waren und von ihnen in Völkerkundemuseen verschleppt wurden.

Fast alles, was nach 1900 entstand, galt als korrumpiert und an den Geschmack der fremden Machthaber angepasst. Als hätten die Negerplastiken, die die europäische Moderne entscheidend beeinflussten, und die Flughafen-Kunst für Touristen nichts miteinander zu tun. Erst in jüngster Zeit wird die eigenständige Modernität afrikanischer Künstler des 20. Jahrhunderts anerkannt und ihr Werk ausgestellt, etwa in der soeben beendeten "The Short Century"-Schau im Gropiusbau. Was davor lag, bleibt weitgehend im Dunkel der Geschichte verborgen. In dieses Herz der Finsternis will Peter Herrmann ein wenig Licht bringen.

Zehn Jahre lang hat der Innenarchitekt in Nordwest- und Zentralafrika gelebt und die Kunst dieser Weltgegend gesammelt und erforscht. Erst im Frühjahr dieses Jahres verlegte er seine Galerie von Stuttgart nach Berlin. Mit der nunmehr dritten Ausstellung in den neuen Räumen stellt Herrmann das Ergebnis seiner Recherchen vor. "200 Jahre Metallarbeiten aus Afrika" ist eine kleine Sensation. Gezeigt werden mehr als 40 Schöpfungen eines Kulturkreises, der hier zu Lande so gut wie unbekannt ist: So genannte Gelbgussarbeiten der Tupuri und der Bamoun. Beide Völker leben in einer Region, die einst enge Bindungen an Deutschland hatte: Bis 1918 war Kamerun eine deutsche Kolonie. Doch nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg musste Berlin seine überseeischen Besitztümer aufgeben, und das Interesse an ihnen erlosch. Nur so ist es zu erklären, dass das aufwändige und filigrane Kunsthandwerk dieser schwarzafrikanischen Stämme in hiesigen Museen praktisch nicht vertreten ist.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Kaiser Wilhelm II. erhielt von König Njoia, dem Sultan von Foumban, einen prachtvollen Thron als Geschenk, der heute im Ethnologischen Museum in Dahlem steht. Dieser König begann Ende des 19. Jahrhunderts, seine Untertanen zu islamisieren. Ohne die lokalen Traditionen über Bord zu werfen: Wie zuvor arbeiteten seine Hofkünstler weiter figurativ und ignorierten das moslemische Bilderverbot. Davon zeugt der Blickfang in der Galerie, zwei überlebensgroße Dynastiesäulen aus dem Sultanspalast. Auf fünf Ebenen formieren Figuren einen Reifen und stützen damit die jeweils nächsthöhere Ebene. Nach Herrmanns Deutung stellen diese Menschenpyramiden die Gesellschaftsordnung der Bamoun dar.

Jede soziale Schicht trägt die ihr übergeordnete Klasse. Gekrönt wird das Ganze von einer stilisierten Königsfigur: Als Zeichen ihrer Macht bläht sie die Wangen auf. In der Dichte ihrer Symbolik und Feinheit ihrer Ausarbeitung können diese Säulen neben jeder barocken Herrscherallegorie bestehen. Die Selbstdarstellung des Monarchen beansprucht naturgemäß breiten Raum. Ein seltenes Motiv ist aber das Heranwachsen eines Königs, den eine vierteilige Figurengruppe drastisch veranschaulicht. Sie wurden um 1800 von Tupuri gegossen, die im Grenzgebiet zwischen Kamerun und dem Tschad wohnen. Laut Herrmann handelt es sich um einzigartige Stücke, da man von Tupuri-Bronzen aus dem Tschad bislang nichts wusste. Zur Zeit ihrer Herstellung waren sie von enormem Wert. Das Herstellungsverfahren ist seit 200 Jahren dasselbe: Eine Lehmskulptur wird mit Wachs aufmodelliert und wiederum mit Lehm bestrichen. Über dem Feuer kann das Wachs ausgeschmolzen und die Hohlform ausgegossen werden. Um an die Bronze zu kommen, muss die Form zerschlagen werden: Jedes Stück ist ein Unikat.

Entsprechend angesehen und reich sind die Kunsthandwerker, die diese Technik des verlorenen Gusses beherrschen. "Die fahren in Afrika alle Mercedes; werden sie bei uns wie Tellerwäscher behandelt, kommen sie niemals wieder", erzählt Herrmann.

Bis 8. September in der Galerie Peter Herrmann, Schlüterstraße 42. Dienstags bis samstags 11 - 16 Uhr