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Galerie Peter Herrmann
 
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Afrikapost 3/ 2007
 
Diskussion über afrikanische Kunst und ihre Verlagerung in die Kunstgeschichte, publiziert in der Afrikapost 3/ 2007 und 4/ 2007
 
Klaus Paysan: Afrikanische Kunst in falschen Händen?


 

Afrikanische Kunst in falschen Händen?

Immer weniger junge Menschen beschäftigen sich mit Tribal Art so intensiv, dass sie eine kleine Sammlung anlegen. Vielleicht haben sie in der Zeitung gelesen, dass eine Begräbnismaske aus Gabon mehr als 5 Millionen Dollar eingebracht hat. Vielleicht besuchen sie dann einen Flohmarkt oder ein Afrikafestival und hoffen auf ein tolles Schnäppchen oder sie handeln auf einer Afrikareise einen Händler so weit herunter, dass er kaum die Kosten für das Buschtaxi nach Hause zahlen kann. Der Touri ist stolz auf sein Verhandlungsgeschick, er hat ein seltenes Erfolgserlebnis, denn es könnte ja sein, dass das Stück auf der Auktion in Paris viele Millionen Dollars einbringt.

Schon beim Zoll deklassiert man das gute Stück. Es ist nicht wert für eine Deklaration und auch der Zöllner schreckt zurück, wenn er das "dreckige" Stück anfassen und einstufen soll. Für einen "Freund der afrikanischen Kunst" ist das Stück zwar keine Airport-Art, aber leider hat sich unser junger Sammler ein neues Stück, also eine Fälschung andrehen lassen. Wo also wieder gewinnbringend abstoßen?

In vielen weißen Ländern gehört es zum guten Ton der Galeristen: "Alles ist eine Fälschung was nicht in meinen Regalen steht!" und das ist bei uns nicht sehr viel anders. Zufällig hat der Neuling schon im Elternhaus eine Sensibilität für moderne Kunst erfühlt, und er weiß auch, wie sehr die modernen Künstler um 1900 von den Impulsen der "Primitiven" begeistert und angeregt waren. Auch er wurde von der Ausstrahlung seiner Skulptur tief beeindruckt! Er wundert sich, dass sich so viele Menschen nur mit Vorurteilen der Tribal-Art aus Afrika annähern. Warum hat sich im Kreise der Sammler afrikanischer Skulpturen die fast hysterische Angst vor Betrug und Fälschung so festgefressen, dass bei der Konfrontation mit einer afrikanischen Maske diese in die Hand genommen, gewogen, ob leichtes oder schweres Holz verwendet wurde, und zuerst die Rückseite, das Maskeninnere, betrachtet wird, ob deutlich sichtbar der Schweiß des Trägers, die Anstrengung des Tänzers zum Ausdruck kommt und erst danach vor der Skulptur meditiert wird, ob und warum sie einen so intensiv anspricht.

Es ist bekannt, dass ein hoher Prozentsatz von Sammlern darauf besteht, dass die Skulptur, die sie erwerben wollen, aus dem "Kult" stammen, dass sie gestohlen sein muss. Muss der Sammler mit diesem Denken wirklich die Niederstufung der afrikanischen Kulturleistungen bewirken? Für berufliche Ethnologen und Museumskustoden ist es selbstverständlich, dass die im Museum ausgestellten Stücke historisch eingestuft und stilistisch eingeordnet werden müssen. Dafür haben sie lange genug studiert.

Unser Ordnungssinn verlangt eine zuverlässige Einordnung. Für die Ursprungsländer der Skulpturen, wo früher unter dem Einfluss der Missionen der vielen Religionsgesellschaften und heute der Begeisterung für ein internationales Feeling, die alten Vorstellungen der Vernichtung preisgegeben wurden und immer noch werden, ist der Einsatz der Ethnologen eine entscheidende Hilfe für die künftige Entwicklung einer neuen kulturellen Identität.

Zum Glück gibt es für Sammler und Ethnologen aber eine legalere Art, um in den Besitz einer wirklich gebrauchten, also "echten" Skulptur zu kommen. Unserem aufgeklärten Denken gilt als "esoterisch" angehaucht, also als völlig daneben, wenn wir uns mit den afrikanischen Vorstellungen, dass die ganze Welt inklusive der Steine, Wolken und Klimaereignissen etc. beseelt ist, ernsthaft befassen.

Für unsere folgenden Betrachtungen müssen wir aber temporär glauben, dass die ganze Welt beseelt ist und Masken und Figuren in der Lage sind zu agieren. Von einer Ahnenfigur, von einer Kultmaske, weiß der traditionell erzogene Afrikaner, dass man sie um Hilfe- sowohl passive, also Schutzamulett oder aktive, also Fetisch, bittet und sie mit Opfern besänftigen oder zur Erfüllung unserer Wünsche (zwingend) veranlassen kann.

Versagt eine solche Skulptur, ist der Schutz oder die Aktivität nicht wirksam, wird diese Skulptur gestraft- siehe Nomoli- oder außer Dienst gestellt. Früher verrotteten sie im heiligen Wald - auch heute noch im Beispiel Bandjoun/Kamerun, oder beendeten ihre Existenz im Müll oder als Spielzeug für Kinder. Die den Skulpturen noch innewohnenden intakten Kräfte werden in die neue Skulptur transferiert und mit kultischen Handlungen: Beopferungen, Beschwörungen, gemeinsame Diskussion notwendiger Additionen, angereichert.

Die neue Figur ist nun aktiver Nachfolger ihres Vorgängers, die alte Skulptur, der Ahne, wird heute verkauft und ist über den Erlös noch einmal aktiv für die Gesellschaft oder Gemeinschaft. Diese Skulpturen kommen also legal- nicht kulturzerstörend- in unseren Besitz.

Sie sind aber noch weiterhin aktiv für die alte Glaubens- und Volksgemeinschaft. Der Sammler lernt aus welcher Ethnie sie stammt und ist bemüht, etwas über den Kult, die Landschaft, das Dorf oder den Schnitzer zu erfahren. Mit der künstlerischen Qualität überzeugt sie den Sammler und seine Besucher, dass ihre Vorbesitzer keine Barbaren sind oder waren, sondern kulturell sensibilisierte Menschen mit oft außergewöhnlichem, kunsthandwerklichem Können und einem hochkomplizierten Sozialgefüge. Sie sind Botschafter, auch als sorgfältig registrierte und wissenschaftlich zugeordnete Nummern in Museumsmagazinen, aber sie verdienen eine größere Öffentlichkeit in der Betrachtung als Kunstwerke, die über ästhetische Werte ihre Betrachter faszinieren, die vom religiösen Inhalt und ihrer sozialen Bedeutung gar nichts wissen wollen.

Die Forderung, dass diese Skulpturen nur dann als Kunstwerke anzuerkennen sind, wenn sie quasi als l'art pour l'art angefertigt wurden und nicht erfüllt sind mit spiritueller Bedeutung, ist ebenso wenig gerechtfertigt wie die Ablehnung einer neuen kreativen Schöpfung eines Künstlers, der seine handwerklichen Fähigkeiten oft mit der Herstellung von Kultobjekten oder sogar mit der Herstellung von Airportart verfeinert hat und nun mit seinen modernen Ideen Plastiken schafft, die für den internationalen Kunstmarkt konkurrenzfähig sind.

Es wurden Schätzungen veröffentlicht, wie viel Tropenholz für afrikanische Schnitzereien im Jahr verwendet werden und für wie viel Millionen Euro Schnitzereien von mehr als 33 000 Schnitzern in Afrika hergestellt und exportiert werden. 33 000 Schnitzer, das sind mehr als 30 000 Familien á mindestens 10 Personen, die vom Kunsthandwerk leben. Einige Prozent der Schnitzer sind echte Künstler, deren Werke internationale Gültigkeit haben und deren modernen Werke, auch die auf der Fortentwicklung traditioneller Ideen basierenden, sollten nicht als Fälschungen diskriminiert werden, weil die Maßstäbe der Wissenschaft nicht auf ihre Werke angewendet werden können oder weil alles neu gestaltete von den Sammelfreunden und dem internationalen Markt als Fälschung dargestellt wird.

Es ist Zeit, dass auch solche Werke entsprechend ihrer Ausstrahlung als Kunstwerke eingestuft werden und ihre Besitzer nicht als Sammler von Fälschungen verhöhnt werden.

Einem meiner Freunde, einem Schnitzer aus Bamako in Mali verdanke ich folgende Einstufung wie viel Kreativität in einer Skulptur steckt:
•  Die Kreativität der Natur, die einen Baum in einer klimaabhängigen Struktur wachsen ließ.
•  Die Kreativität des handwerklichen Schnitzers, der im Auftrag eines Bundes eine Skulptur schnitzen darf.
•  Die Kreativität des Bundes, der die Skulptur durch Opfer und Beschwörungen mit Bedeutung und Leben füllt.
•    Die Kreativität des langen Dienstes für die Gesellschaft, der vielen gebrachten Opfer und auch der Wunder, die sie vollbracht hat.
•  Die Kreativität der Natur, welche die vom Menschen gestaltete und beeinflusste Skulptur vereint mit den Einwirkungen der Naturkräfte.

•  Klaus Paysan

Ausstellung "Der Ritt in die Welt" Afrikanische Kunst,Figuren,Fotos, Skizzen über Pferde

von Angela Paysan und Klaus Paysan

Vernissage am 20.September 2007 um 19. 30 Uhr.
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Anthropologische Ausstellung in der Galerie Peter Herrmann.
NOMGUIH'E pe'e MALOMGUEGUIH'E.
Der Leopard und die Spinne in Kunst und Mythologie des Kameruner Graslands.
Kuratiert von Yaëlle Biro, in Kooperation mit Klaus Paysan.




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