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Pierre Granoux
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HEIMATKUNST

AKADEMISCHES KUNSTMUSEUM, BONN MAI-JULI 2000 ANSPRACHE VON DR. KLEINSCHMIDT-ALTPETER, KUNSTMUSEUM BONN, ANLÄßLICH DER AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG (AUSZUG):

(...)
Pierre Granoux ist vor vier Jahren aus Frankreich zu uns gekommen: er arbeitet im Atelierhaus in den Dorotheenstrasse oder wie jetzt, seit zwei Wochen, hatte er sein Atelier im Saal mit den hellenistischen Abgüssen (...) aufgeschlagen und es ist noch immer da, jetzt für Sie und zum Vergleich: das ist das Haus im Haus. Granoux hat die gesamte Rauminstallation "Für mich und Du (Dürer)" genannt, in die diverse Komplexe zum Thema integriert sind. Die Schrift auf dem Leuchtkasten, "Melencolia", bezieht sich auf den bekannten und schon erwähnten Kupferstich von Albrecht Dürer, der gleichsam Künstler und Philosophen, unter den Kunsthistorikern besonders die Ikonelogen, zu Interpretationen angeregt hat. Zu "Magic Dürer" gehört das Gewächshaus, gleich Atelier, mit dem Basketballkorb: Magic Johnson, der farbige amerikanische Basketspieler, ist somit assoziativ präsent. Dazu gehört das optische Zitat des magischen Quadrats mit der Zahl 34.

 

Antique

2000. Objekt (oder Raumbild)
Heimatkunst, Akademisches Kunstmuseum Bonn, Mai - Juli 2000
Flaschentrockner: H. 150 cm

 

Die Fragen nach Memisis und Imitatio hören nicht auf. Der Polyeder, über den die Dürersche Melencolia nachdenkt, ist hier realita vorhanden. Gehen Sie um ihn herum: die Sammlung der Dürer-Hände, die in der Nachahmung bis zum Kitsch gehen kann, macht uns nachdenklich. Original und Kopie wird auch im Inneren des Glashauses diskutiert: von den transformierten Duchampschen Flaschentrockner bis zur Transformation in "Sidubrancuchamp", an dem auch Brancusi Anteil hat. Die Tauben auf dem Gesims sind ebensowenig echt wie die Gipssammlung der antiken Skulpturen Originale sind. Auf weitere Arbeiten in der Rotunde und im Saal von Olympia hier gegenüber seien Sie an dieser Stelle hingewiesen. (...)

 


 

Ailocnelem, Für mich und Du (Dürer)

2000. Detail aus der Installation Für mich und Du (Dürer) oder: Raumbild, frei nach Dürers Melencolia I
Heimatkunst, Akademisches Kunstmuseum Bonn, Mai-Juli 2000
Haus: ca. 260 x 200 x 200 cm
Melencolia-Neonschild: 60 x 300 x 25 cm

 

 

ZUR AUSSTELLUNG ERSCHIEN EIN KATALOG MIT EINEM BEITRAG VON CARL-FRIEDRICH SCHRÖER (AUSZUG):

(...)
Pierre Granoux hat zwei Installationen in zwei getrennten Räumen, im hinteren Saal und in der Rotunde, eingerichtet. Beide nehmen Bildwerke der Renaissance zum Ausgangspunkt für frei-assoziative, anspielungsreiche Arbeiten des französischen Künstlers: Dürers "Melencolia" (1514) und Antonello da Messinas "Heiliger Hieronymus im Gehäuse" (um 1474).

Die Werke sind ausgewiesene Zeugnisse des Austausches und der wechselseitigen Beeinflussung italienischer mit nördlicher Kunst. Mit dem Ausgang des 18.Jahrhunderts versuchte man hierzulande in Analogie zum vermeintlich bereits erkannten Charakter der antiken Völker, vor allem der Griechen, eine eigene kollektive Identität zu finden. Neben der gotischen Kunst ist in diesem Prozeß die Person und das Werk Albrecht Dürers von Beginn an wichtig. Aus dieser Zeit stammt auch das Klischee der "nordischen Innerlichkeit" in Abgrenzung etwa zur "südländischen Leichtigkeit".

Daß man mit dem Thema des "Hieronymus im Gehäuse" gemeinhin etwas typisch Nordisches assoziierte, worunter man jene tiefere Innigkeit verstehen wollte, ist jedenfalls maßgeblich durch die Rezeption von Dürers berühmtem Hieronymus Kupferstich von 1514 geprägt worden. Die Melancholie als charakteristische Gemütsverfassung des still in seine Bücher vertieften Schriftgelehrten, ist häufig als typisch nordisches Temperament angesehen worden.

In diesem Zusammenhang stehen die beiden Installationen von Granoux. Er nimmt die beiden berühmten Bildwerke der Renaissance seinerseits als Inspirationsquelle und Ausgangspunkt zur Konstruktion von Raumbildern oder begehbaren Installationen, die mit Elementen der Bildvorlagen wie mit Verweisen auf die eigene Arbeitswelt des Künstlers versetzt sind. Es geht Granoux um eine "nicht abgeschlossene Poesie", in der unterschiedliche Ebenen, Modi und Aggregatzustände und Qualitäten zu einem offenen Ganzen zusammenfinden, das vor allem eines soll: die Phantasie des Betrachters anregen.

Granoux versteht seine Arbeit als Werkstatt und Lager, Fundus für Einfälle und Inspirationen der Betrachter. Wie ein Puzzle soll seine Arbeit wirken, das die Phantasie der Betrachter entzünden will, vergleichbar der Arbeit der Archäologen, die bei Ausgrabungen auf Mosaikreste stoßen und erst auf das Motiv zu schließen vermögen, wenn ihre Phantasie lebendig ist. (...)

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