Zurück
 
Galerie Peter Herrmann
Graue Linie
Spötter, Streber und Gelehrte

Am 15. Juni fand ein Podiumsgespräch in einem Sitzungssaal des Reichstags statt, zu dem Frau Dr. Uschi Eid geladen hat. Obwohl der Raum sehr schlicht und mit Wahlplakaten der Grünen fröhlich dekoriert war, kamen sich die meisten der etwa fünfzig Teilnehmer doch recht nobel vor. Nicht Schlange stehen vor dem Haupteingang um nachher in der Glaskuppel im Kreis zu laufen. Nein, das sah man an den neugierigen Blicken derer die dies taten, wir waren trotz unseres bundespolitischen Randthemas im gefühlten Mittelpunkt.

Perspektiven zeitgenössischer afrikanischer Kunst in Berlin hieß das Thema und anwesend waren Damen und Herren, mit und ohne Titel, in der ganzen Palette der Hautfärbungen, frei, verbeamtet und von bescheiden bis überheblich. Tatsächlich ein schöner Überblick über die Szene verschiedener Künste mit dem gemeinsamen Nenner Afrika.

Um ein Ergebnis vorwegzunehmen. Das Treffen war in vielerlei Hinsicht ein Erfolg und vor Allem war es sehr lehrreich. Lehrreich auch deshalb, weil man wieder einmal etwas über Ethnologen studieren konnte, bei denen ich mich nur mit Anstrengung nicht dazu verleiten lasse, die provozierend vereinfachende Meinung fast aller Händlerkollegen zu teilen, nämlich, dass sie so nutzlos sind wie ein Kropf und von nichts eine Ahnung haben. In diesem Essay möchte ich mich deshalb vorrangig um die Kombination von "beamtet" und "überheblich" in Verbindung mit dieser Gattung heranmachen.

Diener
Linie

Oben

Diener. Ein schönes Wort. Vom Staat, also von mir, bezahlt um mich zu bedienen. Von dem von mir erwirtschafteten Geld wird der Großteil weggenommen und wird allen möglichen Guten und Nichtsnutzen zur Verfügung gestellt. Jedes Produkt und jedes Geschäft enthält, im Gegensatz zum früheren Zehnt, 80 Prozent Steuern die dazu benützt werden, Straßen zu bauen, Alte, Kranke und Kinder mit durchzuziehen und den Afghanen laute Kriegsflugzeuge mitsamt den Sprengsätzen zuzumuten. Und Museen. Und die darin Tätigen. Diese mir nahe Spezies möchte ich ins Visier nehmen. Denn auch von denen waren einige Vertreter da. Mindestens zwei davon fielen denn auch zumindest teilweise unangenehm auf.

Ein Herr Wildung mit Vornamen Dietrich und dem Titel Professor durfte vor mir reden. Das hat er ein langes, erfolgreiches Berufsleben lang geübt und es tatsächlich zu erheblicher Virtuosität gebracht. Ein wenig wie ein Relikt des 19. Jahrhunderts mit geschnörkelten und gewundenen Phrasierungen, das T lange geübt und betont, damit der Zuhörer nicht mehr die Kaufbeurener Vorgeschichte ahnt, und ein paar joviale Witzchen zur allgemeinen Erheiterung. Er schilderte seine mafiösen Familienstrukturen, die Bedeutung Ägyptens und auch Seine, gleitete dann zur Bedeutung Sudans und wieder der Seinen, um hernach die Frage zu betonen, die ihn im Vorfeld am meisten beschäftigte: Was tue ich hier?

Der geistesfrische Großpapa, von dem man allenthalben Gutes hört, lebte im Kreise der durchschnittlich erheblich Jüngeren sichtlich auf und wurde, als krönender Abschluss seines Vortrags, noch ganz euphorisch ob des unterstellten Tatendrangs der Anwesenden. Dies verleitete ihn im emotionalen Überschwang sogar dazu, das nächste Mal auch wieder dabei sein zu wollen. Womit die Frage für ihn geklärt war, warum er hier sei.

Dieser ältere Herr im feinen Tuch hatte einen Partner im Publikum der so gar nicht danach aussah. Bejeanst vom Fuße bis zum Halse, mit kokettem Abschluss eines hervorlugenden Unterhemdes ganz im Stile eines US-amerikanischen Militärangehörigen auf Freizeitgang, saß ein weiterer Beamter. Ebenfalls von mir finanziert.

Ich fand schon immer den Gedanken schön, dass ich mir selbst aussuchen konnte, wofür ich Steuern bezahle. Dabei favorisierte ich Parks und bilde mir beim Spaziergang ein, dass mein Geld gut angelegt ist. Weniger mochte ich diejenigen, die mit ihrem Geld Bomben und Parlamentarier förderten. Aber bitte, das ist ja deren Entscheidung und vielleicht macht das ja auch Sinn. Ein Teil meines Geldes aber geht an die Museen dieser Republik. Hüter der Vergangenheit, Interpreten der Gegenwart und wackere Streiter für die Wahrheit als solche und per se. Da diese Menschen nichts Werthaltiges als solches produzieren, sondern gerne forschen, archivieren und dadurch viel Oberfläche für Staub schaffen, der deshalb nicht anderswo ist, kommt ihnen viel Bedeutung zu. Außerdem dienen sie mir ja.

Sollte man meinen.

Brasilien
Linie

 

Statt dies zu tun, gibt es aber welche, die fliegen dauernd nach Brasilien. Das sind dann die mit dem Unterhemd. Im selben Stil könnte man ja nicht in den Sudan, das nachägyptische Reiseziel des professoral Erstgenannten. An diesem Ende der Achse des Bösen wäre zu viel US-Styling vermutlich der Gesundheit nicht zuträglich. In Brasilien jedoch erfreut dieser berufsjugendliche Look mit Sicherheit die Damen ohne Titel.

Diese zwei ungleichen Herren haben also gemein, von mir finanziert zu werden. Mindestens einer der beiden ist dabei aber ein ganz undankbarer Geselle, der die Hand beißt, die ihn füttert. Dabei muss ich selbst fast immer in Berlin Mitte bleiben, während er schon seit Jahren ganz ganz wichtig einen verbeamteten Kollegen im Land der südamerikanisch-tropischen Freuden besucht, der sich dort, fern der Heimat, auf Goethe beruft. Dieser Kollege dort, der auch lieber dort bleibt, weil er, wie ich allenthalben munkeln hörte, hier nicht ganz so gern gesehen ist, lebt übrigens auch von meiner Hand. Hat mich aber noch nicht gebissen. Diese Paarung nennt sich Kuratorenteam und gibt vor, für den im Land der exotischen Freuden ausgestellten Lagerbestand des Berliner Ethno-Museums eine Million Besucher gehabt zu haben.

Wie ich es nun mal gerne mache, habe ich diesbezüglich ein paar Fragen gestellt und siehe da: Herr Doktor, Herr Doktor!! Haben wir da nicht ein bisschen arg geschummelt? Nun gut, werden die Beiden im Land der tropischen Freuden gedacht haben, - wenn es der Sache dient. Wenn man nur mal die erste Million voll hat, wird einem der Rest auch noch nachgeworfen. Muss man ja nur ein wenig multiplizieren. Wozu hat man schließlich Doktor gelernt. Statt nun mein Geld ordentlich gesplittet in Park und Museum anzulegen, wird alles und noch viel mehr in die Tropen geschmissen. Wo schon mal eine Million ist, kann man ja nix Falschmachen, denken sich die zuständigen Verteilungsbeamten und mästen die Ihren.


nach oben

Solcherart auf Kooperation gepolt, suchte sich der wackere Doktor eine Heimspielmöglichkeit für die Zeit, die er hier bei uns verbringt. Dergestalt fanden sich in Persona das subsaharische und das ägyptische Afrika. So kann schon jetzt die Nachbarschaft des Humboldt-Forums und dem viel besuchten Papyrushort zelebriert werden. Afrika - Ägypten - Afrika hieß die Parole. Umgesetzter Freundschaftsdienst in den Räumen der Berliner Volksbank. Hier zelebrierten die Herren Kulturbeamte ihr coming out als Bi-Kuratoren.

Wundersamerweise tun sie das mit einer Privatsammlung Udo Horstmann, bei der dann gleichförmig bei allen Artefakten als Untertitel zu lesen war: Ende 19., Anfang 20. Jahrhundert. Wissen Sie, lieber Leser, was dies genau bedeutet? (Sammlung Wally und Udo Horstmann)

Lassen Sie mich kurz und nüchtern erläutern. Ende 19. Jahrhundert heißt bei afrikanischer Holzskulptur mit etwa achtzigprozentiger Sicherheit: ist alt, ist authentisch, ergo aus dem Gebrauch, ist wertvoll. Anfang 20. Jahrhundert bedeutet: eine Floskel, meist gebraucht im Handel, um vage anzudeuten, es könnte etwas Altes sein, aber eigentlich weiss man es nicht wirklich. Steht nun beides zusammen und dies unisono bei fast allen ausgestellten Objekten ergibt die Kürzung: Wischiwaschi.

Hoho, der Herrmann. Jetzt übertreibt er aber mal wieder.

Experten
Linie

nach oben

Ich höre beim Schreiben geradezu, wie die beiden genannten Herren Experten schnauben. Nein, der Herrmann übertreibt nicht. Die Untertitel heißen in verkürzter Formel: Alles und Nichts. Die einzig klare Aussage die sich aus dieser Beschreibung machen lässt, ist eine Behauptung. Dass nichts neu wäre. Aber. Um das Lästermaß noch voller zu machen. Selbst das stimmt nicht. Zumindest Zweifel sind selbst dabei angesagt. Wer im Handel solche vage Angaben und die noch verteilt über alle Objekte macht, zieht den Verdacht auf sich, nicht richtig Bescheid zu wissen. Die Auseinandersetzung mit Antiquitäten oder alter Kunst Afrikas ist so diffizil und komplex, dass sich bei der Beschäftigung mit einzelnen Objekten fast automatisch eigene Bewertungsdefinitionen ergeben. Dies wurde, diese Vermutung drängt sich auf, fachlich nicht korrekt gemacht. In einer der großen und bedeutendsten Afrikasammlung weltweit, wie in der Einladung vollmundig angepriesen wird?

Weiter wird darin betont, dass es eine Sammlung wäre, die eine ästhetische Grundlage hätte. Wie bitte ist eine solche Zusammenstellung tauglich um eine Verbindung zwischen ägyptischer und subsaharischer Kunst herzustellen?

Ist sie nicht. Man wollte ja auch nicht wirklich stilistische Entwicklungen oder kunsthistorische Bezüge herausarbeiten. Was ich eigentlich erwartet hatte. Mitnichten. Die Verwandtschaft von Meistern solle dargestellt werden. Die beiden Herren möchten dem Besucher also mittels einer Ausstellung aufzeigen: Es gab Meister im alten Ägypten und es gab Meister im schwarzen Afrika. Pardon. Subsaharisch. Welche Erkenntnis!!

Liebe Besucher. Zurückgeblieben wie ihr seid, muss man euch pädagogisch helfen und euer Bewusstsein wachrütteln für den Gedanken: Es gibt Meister in Afrika! Sogar in fast ganz Afrika. Dafür werden dann Äpfel und Birnen gemischt. Museum - ägyptisch, versus eine einzige Sammlung, exklusiv gehipt, aus der Schweiz. Periodisch geordnet das Eine, ästhetisch geordnet das Andere.

Doch dann. Gemach. Doch noch eine Gegenüberstellung. Gemeinsam untergebracht in einer Vitrine standen sich so etwa 8 altägyptische Figuren aus Meisterhand und acht Ibejdi-Figürchen der Yoruba in Nigeria gegenüber. Auch sie aus Meisterhand. Acht von ca. drei Millionen vorhandener Ibedji, ab dem ausgehenden 19ten bis Anfang zwanzigstes Jahrhundert und bis in die Gegenwart. Wie Zinnsoldaten glotzten sie sich gegenseitig über eine imaginäre Zeitzone von viertausend Jahren und dreißig Zentimetern hinweg dämlich an.

Ich könnte noch ein paar weitere Details als Kritikpunkte geltend machen, schenke mir das aber. Denn ich will auf etwas anderes hinaus als fachsimpeln.

Tropen
Linie

 

Kurator. Welch ein schönes, dehnbares Wort. Kunstmuseen oder Kunstvereine fungieren als Träger und stellen einen Kurator dann ein, wenn ein Spezialist gebraucht wird der einen thematischen Anspruch bündelt und visualisiert. Diese beiden Herren fungieren nicht als Träger, sondern baun sich ihr Museum selber. Braucht man keinen Architekten. Nun kenne ich Herrn Wildung nicht. Ich fand zwar seine Texte nicht ganz so berauschend wie seine Worte, mit verschnörkelten und gedrehten Wildungen, bei denen es zum ganz finalen Kick auch nicht kam, wenn ich denn hööhrTe, Kunst sei eigentlich gar nicht demokratisch. Noch Tage nach danach fragte ich mich, ob es heute demokratische Kunst gibt und was der Quark bei alten Objekten denn soll. Viele alte afrikanische Kulturen sind Äonen demokratischer als unser Heute, ohne das dieser Terminus auch nur die allerkleinste Bedeutung hätte. Was will er uns mit solchen Äußerungen beibringen? Was bringt uns diese Erkenntnis im Reichstag?

Den Herr Junge kenn ich da schon ein wenig besser. So gut schon, dass ich sage: Herr Junge, bleiben sie Träger. Das ist besser für uns aus einer freien kuratorischen Szene und besser für ihr Renomée. Die Ausstellungen würden mit anderen Kuratoren nämlich besser. Dass niemand mehr nach Dahlem ins ethnologische Museum möchte, hat seinen Grund in erster Linie darin, dass mit den Aktivitäten von Herr Junge kein Publikum angesprochen wird. Er braucht ja auch nichts zu machen. Nach der Fertigstellung vom Humboldtforum braucht er nur umzuziehen und hat dann über Jahre PR und massig Kulturtourismus. Ein Konzept ist da nur unnötiger Ballast.

Mit Ausstellungen tut Herr Junge sowieso nur etwas, für das er gar nicht ausgebildet ist. Er ist ein so genannter selbst gebastelter Kurator mit einem Titel, den er sich mit was anderem erworben hat.

nach oben

Nehmen wir uns noch einen anderen Aspekt vor. Als ich dieses Beispiel in meiner Reichstagsrede anführte, empfand der Herr Junge dies als aggressiv und rechtfertigte damit seinen garstigen Unterton, ganz in Gestus und Übereinstimmung mit der ägyptischen Fraktion. Die Tropen also. Eine Ausstellung über Ansichten von der Mitte der Weltkugel.

Ist es da sehr heiß, oder schon alles erkaltet? Wer hat den da hineingebohrt bis in die Mitte unserer Weltenkugel. Durch welches Medium wird dieser Mittelpunkt denn dargestellt? Bis in den Gropiusbau hat es der behäbige Jeansjackenträger mit seiner Kernforschung geschafft. Welchen Bezug haben ausgestellte alte Kunstobjekte aus Afrika zu gleißender Lava? Hätte Herr Junge diese Frage einem zeitgenössischen Künstler gestellt, der hätte vielleicht was gezaubert. Hat aber nicht gefragt.

Er hat zum Beispiel William Kentridge ausgestellt. Ohne diese Fragestellung. Denn Herr Junge will große Namen für seinen großen Namen. Mein Steuergeld, für den Park gedacht, hat er sich dabei einverleibt. Wir freien Kuratoren dürfen dann von außen zuschauen und Eintrittsgeld bezahlen. Für dieses zusammengewürfelte Panoptikum hat alleine gezählt, möglichst viele fette Namen wie auf einer Perlenkette aufzureihen und heraus kam: Abrakadabra, We are the World, we are the Children. Ein Chor der Stars. MischelMischel. 1,5 Millionen Kosten.

Doch. Hoppla. Im ganzen Chor kein afrikanischer Künstler aus den Tropen. Da zum Beispiel hätte doch jemand als Co-Kurator ein paar Brötchen verdienen können. Die gönnt ein Herr Junge aber Niemandem nicht. Da geht man das Risiko ein, sich einen aggressiven Punk ins Boot zu holen der Lorbeer stiehlt und widerspricht. Das kann man vielleicht in der Politik oder bei den Weltverbesserern, aber nicht in den heiligen Hallen der erhabenen Ethnologie.

Wenn von meinem Steuergeld über Handel oder Arbeitsleistung wieder was zurückfließen könnte, würde es mir leichter fallen, mein Parkgeld im Koffer des Ethnologen nach Brasilien entschwinden zu sehen. So aber vermute ich, und ich kann nur aus der Ferne schauen, dass Herr Junge auch nicht wirklich nach außen dringen lassen möchte, wie lange und wie oft er in den südamerikanischen Tropen weilt, als Abteilungsleiter für Afrika in Berlin. Aber eine Million Zuschauer verpflichtet. Die hat er ja in Dahlem nicht. Heutzutage muss man seinem Klientel schon hinterher sein.

Schön, wie Herr Junge in der Reichstagsansammlung auf eine Kritik hin sagte, die Ausstellung im Gropiusbau sei kontrovers diskutiert worden und kontrovers soll eine Ausstellung ja sein.

Zuerst mal. Warum soll eine Ausstellung per se kontrovers sein? Warum soll eine Ausstellung über die Tropen kontrovers sein? Die Ausstellungen wurde von Fachpublikum zerrissen und von einigen unbedarften, nicht am Thema arbeitenden, wegen der We-are-the-World-Reihung für gut geheißen. Was soll daran kontrovers sein. Kontrovers wäre gewesen, wenn Themen zu den Tropen aufgeworfen worden wären, bei denen unterschiedliche Haltungen für Kontroversen gesorgt hätten. Auf dieser Ebene hat gar nichts stattgefunden. Den Mus fand man schlecht, nicht eine Haltung.

Wenn ein Architekt ein Haus baut, bei dem bei der Einweihung die Treppe einbricht und es unter den Fenstern Luftströme hat die Heizen unmöglich machen, wirft man ihn zuerst in Regress und dann hinaus. Aber unsere Museumsbeamte dürfen bauen und backen, schustern und nähen, fliegen und lieben, entwerfen und texten. Alles ist sowieso das Beste von der Welt. Bis hin zur Mitte.

Die Quintessenz. Beamte nehmen unser Geld ein, Politiker, in der Mehrzahl Beamte oder Anwälte, setzen Rahmenbedingungen für dessen Verteilung, Beamte nehmen es und geben es aus. Und bauen und backen, schustern und nähen, fliegen und lieben, entwerfen und texten. Hunderttausende und Millionen werden dabei verprazzelt. Doch was macht das schon. Vor den Milliarden der Banken und der Autoindustrie. Etwa fünfunddreißig der fünfzig Experten-Teilnehmer vom mittäglichen Reichstagshappening schauen dabei zu, verdammt in Tatenlosigkeit und haben nichts davon. Wie soll man in diese immer dreister unverfrorene Spirale auch eingreifen. Keine Krume fällt. Von dem bisschen Geld mit dem in der freien Szene eigene Projekte realisiert werden, zahlen sie noch exorbitante Steuern. Nicht schnauben. Doch doch.

Wissen Sie wie viel Kunsthistoriker und wie viel Kunstmanagerinnen ins Harz4loch gefallen sind? Filmleute keine Produktion mehr stemmen können? Musiker ein Nasenwasser verdienen? Und wie zum Hohn jetzt noch die verminderte Mehrwertsteuer und Gema-Gebühren erhöht. Da brauchen wir nur noch ein paar Tage warten, dann kommt die Künstlersozialkasse mit Erhöhung.

Angesprochen von mir mit einem Satz in der "Debatte" wurde diese Botschaft in etwa als "Stammtisch" gehört und führte bei ersterwähntem Kulturbeamten zu weiteren abfällig schnaubenden Tönen. Danach ging es schnell und ansonsten kommentarlos weiter. Zu wichtigen Themen der zeitgenössischen Kunst aus Afrika wie dem Umzug des Ethnologischen Museum ins Humboldtforum. Wir alle müssten aber Verständnis dafür haben, dass sie keine Hintergründe mitteilen dürfen. Man wisse ja, wie dies für Unruhe sorgt. O-Ton Junge.

Wie bitte?

Humboldtforum
Linie

nach oben

Dass Kunst nicht demokratisch ist, haben wir nun gelernt. Aber welchen Instanzen gegenüber sind eigentlich diese Personen verantwortlich? Haben wir hier langsam einen Absolutismus des Beamtenapparats? Abteilungsleiter als Diener des Volkes müssen diesem keine Rechtfertigung geben, wie und für was das Geld ausgegeben wird, das sie ihnen zur Verfügung stellen? Damit die nicht mehr mitbekommen, was da so Fern der Heimat vor sich geht oder welches koloniale Brät in einer Schlossattrappe untergebracht wird. Darum schildere ich die Kenntnisse der Ethnobeamten so detailliert, um eine Ahnung zu geben, was ohne fachliche Kooperationen für Fragwürdiges herauskommt. Die Treppe fällt, das Fenster zieht.

Mit einem Humboldtforum präsentiert Berlin sich in der Welt. Lernt Herr Junge in Brasilien etwas über afrikanische Befindlichkeiten oder gar Wünsche? Ist sein lockeres Äußeres ein Garant für zeitgemäßes Denken und Handeln? War er nicht fragwürdig maßgeblich beteiligt an der Professurvergabe für afrikanische Kunstgeschichte? Auf die mit Hilfe von Herrn Koloß, seinem ausgegrabenen Vorgänger im Amte, nun ein Ethnologe gesetzt wird, der von Kunst etwa so viel Ahnung hat wie ein Bock vom Gärtnern? Dessen einziges Gebiet Nollywood mit Splatter und Soap ist, wir ihn aber selbst dabei vor nicht allzu langer Zeit darüber aufklären mussten, dass ein dazugehöriges Plakat definitiv keine Kunst ist. Wenn es unangenehmerweise jener Herr wird, holt man sich den dreistesten aller ideen-"Übernehmer". Der hat einen geradezu legendären Ruf diesbezüglich.

Perspektiven zeitgenössischer afrikanischer Kunst in Berlin hieß, um noch einmal kurz zu erinnern, das erlauchte Thema. Was hat das Humboldtforum damit zu tun?

In den Räumen des ägyptischen Museums durften in den letzten Jahren hin und wieder, ganz zeitgemäß dialogisierend, ein paar Künstler ihre Kunst zum Besten geben. Zeitgenössische Künstler aus Europa. Nicht aus Afrika. In Dahlem erhielt Antonio Ole aus Angola 2004 die Möglichkeit, seine umfangreiche Wandinstallation nach The Short Century noch einmal aufzubauen. Das gesamte Budget dafür umfasste 1.000,- Eurothaler. Herr Ole lebt in Luanda, wo eine durchschnittliche Hotelübernachtung 300,- Eurothaler kostet. Weil Herr Ole kein deutsch sprach, keine Ahnung hatte, wie er mit diesem Budget etwas bewerkstelligen sollte, nicht wusste, wo er diverse Materialien und Werkzeug herbekam, saß er des öfteren in meinem Büro und bat um Rat und Tat. Erhielt er gratis.

War sonst noch was zum Thema zeitgenössisch, Kunst und Afrika? Ach ja. Herr Junge reflektiert noch, ob man sagen dürfe "afrikanische Kunst" oder ob es doch nicht besser wäre von "Kunst aus Afrika" zu reden. Diese zurückgebliebene Synapsengymnastik machte er vor lauter Begeisterung sofort öffentlich und reflektierte dies vor fünfzig Menschen. Erhob die Frage zur nationalen Bedeutung. Reichstagsmäßig. Glücklicherweise ging niemand darauf ein. Sonst noch was mit zeitgenössisch und Afrika?

Nein. Nicht, dass ich wüsste.

Die Herren Wildung und Junge nahmen sich Raum zum Reden und Schnauben im Reichstag in dem Junge aus dem Publikum belanglose Fragen an Wildung stellte und der vom Podium wieder auf Junge zu antwortete. Hohle Ersticker. Sehr berechtigt war die professorale Wildungsche Frage schon, was er denn hier zu tun habe. Ich weiß es bis heute nicht. Er aber will wieder mitmachen, bei Reden über zeitgenössische Kunst aus Afrika in Berlin. War einer der beiden Herren je bei einer solchen Ausstellung? Ich habe sie noch nie irgendwo in Berlin bei einem solchen Anlass gesehen. Es genügt Herr Junge, einen zeitgenössischen Künstler aus Afrika in Berlin zu kennen, der Führungen in Dahlem macht. Ihn. Nicht seine Arbeit. Stellte der Künstler Mansour Ciss aus, ward Herr Junge auch noch nie gesehen.

Will Herr Junge die alte Kunst aus Afrika nach dem Umzug wieder in einem Dark-Room beheimaten? Geheimnisvoll umwittert das staunende Millionenpublikum durch seine tropischen Exotismen führen? Den Flaneuren didaktisieren, Afrika häbe Meister? Dialogisierend dann einen Künstler seiner Wahl darin Ästhetisches aufführen lassen? Oder William Kentridge holen? Der dann aber, weil gänzlich hellhäutig, legitimerweise 15.000,- Euro für den Aufbau bekommen muss. Was hat er wirklich vor?

Schade. Das kann und will er uns ja nicht sagen.

Weihnachten
Linie

nach oben

Ganz streng genommen zeichnet sich das Museum in Dahlem bezogen auf Afrika programmatisch nur durch seinen weihnachtlichen Jahrmarkt aus. Hin und wieder liefert Herr Junge ein paar alte Objekte in Ausstellungen außerhalb des Hauses zu Cross-Over-Actions mit occidentaler zeitgenössischer Kunst, wobei mir aber nie aufgefallen wäre, dass dies über einen rein dekorativen Charakter hinausgegangen wäre. Zu deutsch: Schöön. Mit zeitgenössischer Kunst aus Afrika hatte er außer obigem Beispiel nicht viel zu tun und mit alter Kunst kennt er sich übrigens genauso wenig aus. Texte mag er aber gerne. Jede dieser Ausstellungen hat einen im Buch abgedruckten. Auf diese Art summiert sich eine gewisse Präsenz, die zu der Annahme führen könnte, Herr Junge wäre kompetent. In Teilen des Handels sieht man das allerdings anders.

Dergestalt beeindruckt von den wichtigen Herren aus ihren wichtigen Institutionen löste sich die Experten- und Expertinnenrunde wieder auf.

Die von mir angesprochene Sauerei des Hamburger Bahnhofs als einzige institutionelle Ausstellung zu zeitgenössischer Kunst aus Afrika wurde peinlich liegengelassen, Afrika-Kulturwochen nicht angesprochen, die Misere der im Raum befindlichen 35 nicht institutionell Organisierten lieber weggelassen. Produktiv, dass sich Toucouleur und Listros, Afrika im Wedding und Afroport vorstellen konnten. Frau Schmitz vom Hamburger Bahnhof und Herr Scherer vom Haus der Kulturen der Welt, beide angemeldet, kamen erst gar nicht. Sie dürfte wohl Angst vor meinem bösen Blick gehabt haben und er ahnt schon seine Schwierigkeiten, die er in Kürze wegen Ideen..äh..? Wie sag ichs nur, als freie Meinungsäußerung? Nicht ganz beidseitig abgesprochene übernahme von Konzepten zum Zwecke eigener Aufführung und Mehrung persönlichen Ruhmes. Ja. So kann er mir nichts.

So wollen wir Herrn Bundespräsident Köhler einen Gefallen tun und die kulturellen Verbindungen zu Afrika verbessern? So wollen wir eine Konkurrenz zu China werden? So wollen wir den Italienern im Museumsbau folgen? So wollen wir in der europäischen Union wieder afrikakulturpolitischen Anschluss bekommen an Spanien, Italien, Frankreich, Belgien, England?

Frau Eid ist sich der Tragweite bewusst, die eine solche Veranstaltung hat. Mit Herr Shanko und Herr Kra saßen zwei kompetente Organisatoren aus Afrika im Podium. Die leider wegen Krankheit ausgefallene Kunsthistorikerin Yvette Mutumba hat einen wichtigen Symbolcharakter als junge Afrodeutsche. Durch ihr Fehlen war das Podium leider nicht mehr ganz paritätisch mit drei Afrikastämmigen und drei Deutschen belegt wie vorgesehen, aber egal, wir hatten die Geste. Im Publikum mehrere afrikastämmige Vertreter der Künste. Genau so muss das aussehen. Da lacht das Herz.

Frau Eid ist in der Lage, mit feinem Gespür Bewegungen und Personen zu fördern, Verbindungen entstehen zu lassen und Richtungen aufzuzeigen. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Institut für Auslandsbeziehungen, für das Frau Barsch am Podium saß. Das ifa spielte in der Vergangenheit für kulturelle Beziehungen zu Afrika eine wichtige Rolle und wird dies, mit Frau Eid im Vorstand und Frau aus dem Moore als Leiterin der Abteilung Kunst, in nächster Zeit mit noch größerem Einfluss tun. Dies hat mit zeitgenössischer Kunst in Berlin etwas weniger zu tun, denn dieser Einfluss kommt aus Stuttgart.

In der zweiten Hälfte der Veranstaltung griff Frau Eid auch einen Umstand auf, den ich vormittags beispielhaft in einem Satz erwähnte und der wohl offensichtlich in der Pause öfters angesprochen wurde. Wie auch an dieser Zusammenkunft, sitzt das Beamtenpersonal bezahlt in der Runde, während die Freien diese Debatten und jede Besprechung als ehrenamtliche Tätigkeit abhaken. Sie bedauerte, dass man an diesem Umstand nichts ändern könne, bedankte sich aber ganz ausdrücklich bei den Anwesenden. Eine wohltuende Geste. Für Viele das erste mal, eine Anerkennung dafür zu bekommen.

Der Berliner Abgeordnete Oliver Schruoffeneger vom Projekt p.art.ners Berlin-Windhoek war ebenfalls im Publikum. Seine Erwähnung an dieser Stelle deshalb, weil hier in Kopperation mit vielen Beteiligten ein sehr sinnvoller und effektiver kultureller Austausch zwischen den beiden Partnerstädten funktioniert.

Wo stehen wir also bei der Förderung unserer kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika? Eine Kurzfassung:

Eine über lange Jahre eingeleitete Professur für afrikanische Kunstgeschichte von einem unqualifizierten Ethnologen belegt. Ein anderer Ethnologe mit Brasilienobsession an der Schaltstelle in einer postkolonialen Schlossattrappe. Jemand im Bundespräsidialamt, deroderdie eine mehr als fragwürdige Intrigantin im Hamburger Bahnhof fördert. Ein standesdünkelnder Titelträger im Haus der Kulturen der Welt mit demselben gebrochenen Verhältnis zu lokalen Strukturen wie sein Vorgänger, der mitsamt dieser Eigenschaft die übliche Karrieretreppe ins Goethe-Institut hinauffiel. Eine freie Szene, die vor dem Hintergrund einer Bundesmetropole nur als belächelte Zwergennummer betrachtet werden kann, praktisch ohne Budget und im gesamten Pleite ist.

Keine Sammlerstruktur, eine einflusslose winzige Händlerstruktur und ein bisschen Hilfsindustrie. Damit will man in Berlin antreten, kulturelle Verbesserungen zu Afrika vorzunehmen? Was für eine Anmaßung!

Vergessen Sie es, Herr Köhler. War nett gemeint. Bieten Sie Ihren afrikanischen Freunden einen Selbsthilfekurs über Sumpftrockenlegung. Schließen Sie ersatzlos das Völkerkundemuseum. Danach holen Sie Gotthilf Fischer. Mit seinen Hausfrauen erreicht er als kulturelle Bereicherung mit drei Auftritten in Afrika mehr als ihre gesamte Armada musealer Berliner Beamten in den letzten Jahrzehnten.

Es bleibt die Frage, wie man dieses Beamtenbrackwasser mit seinen sinnlosen, exorbitanten Kosten in den Griff bekommen kann. Mehr Beamte, mehr Staatskosten, mehr Verschuldung, mehr Steuern. Und die werden nicht mehr re-investiert, sondern immer ausschließlicher für Beamte ausgegeben. Die fliegen von den Projektgeldern in Business-Class nach Rio zu den lieben Liebenden, nach Ouagadougou um mitsamt Asisstentin zwei Filme anzuschauen und nach Sansibar, da hat man ohnehin schon eine Villa.

Peter Herrmann, im Juni 2009

Humboldt
Linie

 

Wilhelm von Humboldt, 1792.

Gerade die aus der Vereinigung Mehrerer entstehende Mannigfaltigkeit ist das höchste Gut, welches die Gesellschaft gibt, und diese Mannigfaltigkeit geht gewiß immer in dem Grade der Einmischung des Staates verloren.(...) Gleichförmige Ursachen haben gleichförmige Wirkungen. Je mehr also der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte.

Links
Linie

 

Bild
Foto: Maria Kind


nach oben Icon

4. Fachgespräch von Dr. Uschi Eid, MdB

Dr. Barbara Barsch. Leiterin der ifa-Galerie, Berlin
Peter Herrmann. Galerie Peter Herrmann. Berlin
Prof. Dr. Dietrich Wildung. Direktor des Ägyptischen Museums und der Papyrussammlung. Berlin
Dr. Uschi Eid. Sprecherin für Auswärtige Kulturpolitik. Bündnis 90/Die Grünen.
Koffi Kan Ignace Kra. Toucouleur e.V./Afrikamera.
David Shanko, Listros e.V.
Ursula Trüper. Magazin "Afrikanisches Viertel".
Barbara Schirpke. Afroport

>> Alle Vorträge als pdf
>> Zur Seite Projekte



Graue Linie
   
Zurück