Potsdamer Neueste Nachrichten 16/17.7.2005 - von Gerold Paul

Presseseite der Galerie Peter Herrmann



Bei uns gibt es viele Ballaphone

„Pentatonisches Potsdam“ im Waschhaus: Aly Keita spielte auf selbst gebautem Instrument

„Von weitem sehen die selbstgebauten Ballaphone des Malinesen Aly Keita wie rhombische Schlitten aus – von Kalebassen unterschiedlicher Größe getragene Xylophone, derer es zwischen dem Sahel und Mocambique ganz unterschiedliche gibt. In Afrika nennt man sie „Ballas“, die Europäer hängten sich das Suffix daran. Der Musiker, Komponist und Instrumentenbauer, von klein auf durch seinen Vater in diese Materie eingeweiht, stellte am Donnerstag innerhalb der Exposition „ Visualisierte Rhythmen“ drei dieser Klangwunder im Waschhaus vor. Wenige nur kamen, den ersten von sechs Programmabenden des „Pentatonischen Potsdam“ (jeweils am Donnerstag) mitzuerleben, vielleicht, so der Galerist Peter Herrmann, weil hier der „Markt“ für solche afrikanischen Extras zu klein, vielleicht auch, weil das gute alte Xylophon durch James Last’s „Fahrstuhlmusik“ seit 15 Jahren etwas aus der Mode gekommen ist. Wie immer auch, Aly Keita verstand es, das Seine mit Klugheit und Temperament sehr kurzweilig an den Mann zu bringen.

Das erste Stück, auf dem kleinsten Ballaphon gegeben, war seinem „Papa“ gewidmet. Wie die meisten anderen Musikbeispiele auf Hochzeiten, Masken- und anderen Festen überall in Afrika zu hören, folgt es oft einer geschlossenen Struktur: Einzelne Töne eines langsamen Rhythmus zuerst, dann wechseln sich Arabesken unterschiedlicher Melodik ab, indes der Rhythmus ostinat und synkopisch verläuft. Linkerhand gleichsam die Bässe, rechts die Melodie. Oftmals schwingen Borduntöne mit, metallisch klirrend, oder auch rein. Die Stücke enden durch „Ausdünnung“, bis man scheinbar wieder am Anfang ist. Man hörte Musik aus Mali, Guinea, Zentralafrika und von anderswoher, auch Selbstkomponiertes, man sah den jungen Mann wie beseelt musizieren, so schnell, dass die Augen den Schlegeln nicht folgen konnten. Das Wort „Meister des Ballaphons“ hört er freilich nicht gern, denn bei einem Workshop in Mocambique begegnete ihm der seine: Er spielte ein Instrument, welches die Töne nicht mit Kalebassen, sondern durch Kuhhörner verstärkte: ein „ballaphone diable“, raunte der junge Musiker respektvoll.

Was er selbst auf den Palisadenholzplatten über fast drei Oktaven erzeugte, nannte er nicht Töne, sondern Noten, an anderer Stelle auch „unsere Sprache“, zu deren Verständnis freilich ein Rhythmusgefühl gehört. Ohne ein solches sei der Mensch „tot“. Das größte Ballaphon am Platze misst in der Länge drei Meter, und man war Ohrenzeuge, wie sanft und vielseitig es sich schlagen ließ. Trotz ihrer Pentatonik lassen diese Instrumente auch europäische Melodiefolgen zu, je nachdem, wie man sie baut: Aly Keita hat kleinere für die Kinder geschaffen, größere als der Potsdamer Riese seien durchaus machbar. Nach dem konzertanten Teil fand sich das Publikum schnell an den Instrumenten zusammen, schaute von oben, von unten, simpelte fach- oder nicht, entdeckte dann auch die Klanglöcher in den unterschiedlich großen Kürbissen. Der in Berlin lebende Afrikaner hat sie zwar mit Plastikmembranen verschlossen, im Original jedoch wird das mit Spinnennetzen erledigt, die man mit Kautschuk verrührt. Wie Peter Herrmann sich durch die schlechte Resonanz „nicht durcheinanderbringen“ lässt, so ist auch die Fortführung des Afrika-Festivals gesichert.

Gerold Paul